Hundert Jahre – und alles Otto

taz testet die Liga (V): Solange der Trainer nicht in Rauschomanie verfällt, ist alles möglich beim 1. FC Kaiserslautern, außer Abstieg oder Meisterschaft    ■ Von Günter Rohrbacher-List

Kaiserslautern (taz) – Überzeugt hat der 1. FC Kaiserslautern seine Fans in der Vorbereitung nicht gerade. Immer wieder hofften sie rund um den Betzenberg auf einen ordentlichen Transfer, zum Beispiel als die Namen Cvitanovic von Real Sociedad San Sebastián und Youri Djorkaeff (Inter Mailand) die Runde machten. Nichts war's! Beim 1. FCK halten sich nun alle bedeckt, trotz oder auch wegen der teilweise bescheidenen Leistungen in den Freundschaftsspielen gegen den 1. FC Saarbrücken (2:3), beim FC Brügge (3:2) und vorgestern abend gegen den AC Florenz (2:2).

Wird Fußball gespielt? Das hängt einzig davon ab, wann Ciriaco Sforza seine Sauertopfmiene, die er aus Trotz über den geplatzten Wechsel zu Borussia Dortmund spazieren trägt, ablegt und sich wieder den kreativen Künsten des Mittelfeldspiels zuwendet. Sonst ist das Lauterer Spiel leicht zu lesen. Hinten der Torwart, davor Libero und zwei Abwehrspieler. Ob Otto Rehhagel die jetzt ach so beliebte Raute einsetzen wird, bleibt sein Geheimnis, ist aber auch egal. Jedenfalls tummeln sich fünf Mann im Mittelfeld, und vorne gibt es zwei Stürmer. Legt Sforza keinen Zahn zu, und eifert Thomas Sobotzik dem ungeliebten Claus-Dieter Wollitz nach, wäre das der spielerische Offenbarungseid der Lauterer. Wenn aber auf den Außenbahnen wieder mehr los ist und rechts Ratinho und Buck, links Wagner und Reich oder Strasser wirbeln, dürfte es wieder richtig abgehen auf dem Betzenberg.

Wer hilft? 1. Der Fan, männlich und weiblich. Wer geglaubt hatte, die Zahl der Dauerkarten (32.000) gehe angesichts der letzten Rückrunde und des blamablen 1:5 bei Eintracht Frankfurt zurück, der irrte. Die Grenze ist erreicht, der Verkauf eingestellt. 2. Beate Rehhagel, und zwar hilft sie ihrem Otto, indem sie stets registriert, wer es wagt, unverschämte Fragen zu stellen, und lokalisiert, wo die schlimmsten Nestbeschmutzer sitzen.

Wer stört? Wahrscheinlich der Blick auf die Tabelle, bestimmt die Beiträge derer, die von Beate kritisch beäugt werden. Vielleicht auch Uwe Gospodarek, den seine Rolle als Reservist nervt, und all die, deren Positionen jetzt doppelt besetzt sind. Den mauligen Thomas Riedl und den sich selbst überschätzenden Michael Ballack ist Rehhagel allerdings losgeworden.

Taugt der Trainer? Man muss Otto Rehhagel nicht mögen, um seine Erfolge anzuerkennen. Bisher hat er beim 1. FCK getaugt: Aufstieg, Meisterschaft, Uefa-Cup-Platz. Doch langsam fragt man sich, wann die Intuition und die Prise Glück den Trainer verlassen werden. Hat er dieses Mal mit seinen Transfers danebengegriffen, verfällt er gar der Rauschomanie wie sein Vor-Vorgänger im Jahr des Abstiegs? Ein Trainerwechsel wäre in Kaiserslautern derzeit aber nur möglich, wenn es miserabel wie nie laufen würde.

Taugt der Torwart? Das Dilemma des 1. FCK ist, dass alle drei, Reinke, Gospodarek und Weidenfeller, taugen. Reinke ist die Nr. 1. Wenn er sich nicht ein Bein bricht oder ihm ein Schiedsrichter die rote Karte zeigt, empfiehlt sich der „Dicke“ in 34 Bundesligaspielen ablösefrei für die Premier League.

Was tun die Neuen? Slobodan Komljenovic soll nach Samir, Ramzy und Sforza der nächste neue Kadlec werden. Erste Zweifel keimen bereits auf. Igli Tare springt unentwegt hoch, um den Ball wenigstens per Kopf zu erwischen. Jörgen Pettersson ist der neue Pavel Kuka, und Jeff Strasser vom FC Metz wackelt bereits nach zwei schwachen Auftritten. Hoffnungsträger ist vor allem Thomas Sobotzik. Zusammen hoffen alle auf einen Stammplatz und schmeicheln sich deshalb bei Beate ein.

Wie schießt man Tore? Wie im Meisterjahr kommt der 1. FCK über die Flügel. Die hohen Flanken köpfen dann die Riesen Hristov, Tare, Schjönberg und Strasser ein. Pettersson und Marschall sollen ihre Treffer mehr herausspielen, der Schwede als Konterspieler die Abwehr auf sich ziehen und Platz schaffen. Und wenn das alles nicht funktioniert, hat der 1. FCK noch einige Ballack-Millionen aus Leverkusen und wird damit seinen Angriff verstärken.

Wer ist der Beste? Eindeutig der Torwart, hoffentlich aber in der neuen Saison Ciriaco Sforza, der im Mittelfeld durch Sobotzik entlastet werden soll.

Was folgt aus diesen Erkenntnissen? Ein Abstieg des 1. FCK ist im Jahr 2000, wenn der Club 100 Jahre alt wird, ebenso unwahrscheinlich wie der Gewinn der fünften Deutschen Meisterschaft. Obwohl Vorstandsvorsitzender Jürgen Friedrich träumt: „Das Schönste ist sicher, 100 zu werden und Deutscher Meister.“

Gefühlter Tabellenplatz: Es riecht nach einem Zobel-Jahr (1992/93), als der 1. FCK auf den 8. Platz abrutschte. Der Otto-Faktor liegt weiterhin bei 100.