Rechte Gruppen schwer im Aufwind

■ Seit dem Frühjahr kommt es verstärkt zu Gründungen von rechten Gruppen und sogenannten „Kameradschaften“ in Bremen / Schwerpunkte: Neustadt, Bremen-Nord, Vahr und Bremen-Ost

Die rechte Szene in Bremen organisiert sich neu. Seit Frühjahr dieses Jahres gründen sich vermehrt rechte Gruppen in verschiedenen Stadtteilen. Teilweise deklarieren sich die semi-offiziellen Gruppen als „Kameradschaften“: Schwerpunkte der neuen Organisationen sind nach Angaben von rechten Aktivisten die Vahr, Bremen-Ost und Bremen-Nord. Auch in der Neustadt soll sich eine Freie Kameradschaft gegründet haben.

Die NPD hat zudem eine Neugründung ihrer Jugendorganisation JN noch für den Herbst angekündigt: Entstehen soll ein norddeutscher JN-Großverband. Derzeit seien JN-Aktivisten aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit dem Aufbau beschäftigt, bestätigte NPD-Pressesprecher Klaus Beier. Allerdings könnte eine solche Neuorganisation auch mit einer Krise der parteilich organisierten Neonazis erklärt werden, sagt der stellvertretende Leiter des Bremer Verfassungsschutzes, Lothar Jachmann: Die JN liege eher brach, weil aktionsbereite Neonazis von der Parteiarbeit zurückschrecken.

Ausgangspunkt für die wieder erstarkende Szene der parteilich Ungebundenen war der Bürgerschaftswahlkampf in Bremen. Am 1. Mai wollte die NPD einen Großmarsch durchführen, der in letzter Minute verboten wurde. Drei Wochen später marschierten knapp 100 Rechte durch Blumenthal in Bremen-Nord. Seit dieser Zeit sei zunehmend eine Organisierung von Rechten zu verzeichnen, melden nicht nur Antifa-Gruppen: Auch Verfassungsschutz-Vize Jachmann bestätigte eine „personelle Verstärkung“ der Szene in begrenzten Ausmaßen.

In der Anzahl der gemeldeten Straftaten von Rechts hat sich dies offenbar noch nicht niedergeschlagen: Eine signifikant ansteigende Deliktzahl sei seit Beginn des Jahres nicht zu beobachten, sagte gestern der politische Staatsanwalt Uwe Picard gegenüber der taz. Das muss allerdings nicht viel heißen: Die rechten Kader arbeiten derzeit offenbar mehr im Stillen, organisieren Schulungen und Wochenend-Aktivitäten für den Nachwuchs. Über deren Gewaltbereitschaft sagt das nichts aus.

Auch linke Gruppen berichten von personellem Zuwachs in den eigenen Reihen. „Man hat im Frühjahr gemerkt, dass wieder mehr läuft“, berichtet ein Mitglied des „Stammtisches gegen Rechts“ in der Neustadt. Daraufhin hätten sich wieder mehr Menschen in Antifa-Gruppen zusammengefunden. Derzeit gäbe es schätzungsweise 200 bis 300 Linke in Bremen, die an Anti-Nazi-Aktionen teilnähmen. Vor zwei Wochen sei ein DVU-Stammtisch in einer Neustädter Kneipe von rund 20 Gegendemonstranten gestört worden. Im Viertel wird derzeit ein stadtbekannter Rechter per Steckbrief angeprangert.

Auch Streetworker Wolfgang Welp von der „Akzeptierenden Jugendarbeit“ bestätigt, dass seit Anfang des Jahres alles auf eine „Aktivitätssteigerung“ in der rechten Szene hindeute. Allerdings seien die Organisationsformen modernisiert worden: Klassische Merkmale wie öffentliche Pöbeleien und Trinkgelage nähmen ab, die Treffen würden mehr in Privaträume verlagert. Zudem sei zu beobachten, dass sich inzwischen „morgens Anti-Wehrmachts-Ausstellung und abends Techno-Disko“ nicht mehr grundsätzlich ausschlössen. Die aufsuchenden Sozialarbeiter wollen jetzt mit einem neuen Arbeits-Konzept reagieren, das den Szene-Wandlungen Rechnung trägt.

Christoph Dowe