Tune in, sag aus

Timothy Leary soll mit dem FBI zusammengearbeitet haben. Im Internet sind Verhörprotokolle einzusehen  ■   Von Nils Michaelis

„Tune in, turn on, drop out“ – sechs Worte, die Timothy Learys Ruf als führender Kopf der Sechziger festigten. Doch Learys Integrität wird brüchig: Nach Ablauf einer Sperrfrist veröffentlichte das FBI auf der Grundlage des Freedom of Information Acts nun Verhörprotokolle, aus welchen hervorgeht, dass Leary 1974 sein Wissen über die bewaffnete linksradikale Untergrundorganisation der Weathermen ausplauderte.

Die Weathermen hatten ihn im September 1970 aus einem kalifornischen Gefängnis befreit, in dem er für den Besitz einiger Gramm Marihuana eine zehnjährige Haftstrafe absitzen sollte. Nach der Befreiungsaktion floh Leary zunächst nach Algerien, wo er u. a. auf den Black-Panther-Führer Eldridge Cleaver traf. Nach seiner Abschiebung aus Algerien wurde Leary nach verschiedenen Zwischenstationen 1974 in der Schweiz verhaftet und an die USA ausgeliefert.

Von seiner Kooperation mit dem FBI versprach sich Leary offenbar nicht nur eine Verkürzung der Haftzeit, er hoffte, dass diese auf der gleichberechtigten Grundlage einer „intelligenten, ehrenvollen Zusammenarbeit mit den Gesetzesvertretern“ möglich wäre, wie es im Internet in einem einleitenden Text zu den Protokollen heißt. Die Echtheit der auf der geheimdienstkritischen Website „The Smoking Gun“ (www. thesmokinggun.com) veröffentlichten Dokumente wurde von FBI-Seite bestätigt.

Das FBI befragte Leary insbesondere nach den an der Befreiungsaktion beteiligten Personen. Leary nannte sowohl Details der Befreiung als auch Namen verschiedener Aktivisten. Die Weathermen verstanden sich als studentische Entsprechung der Black Panther, sie kämpften aus dem Untergrund gegen Rassismus und den Vietnamkrieg.

Die Aussagen gegenüber dem FBI werfen dunkle Schatten auf Learys Vergangenheit, zumal der Charakter des Nachrichtendienstes über lange Phasen seiner Existenz dem einer politischen Polizei nahe kam. Seit 1919 der unter dem Eindruck der russischen Oktoberrevolution stehende spätere FBI-Chef J. Edgar Hoover mit 24 Jahren die Abteilung für „revolutionäre und ultraradikale Gruppen“ übernahm, richteten sich die Aktivitäten des Federal Bureau of Investigation zunehmend gegen Andersdenkende. In seine Amtszeit fallen die aktive Unterstützung des Kommunistenjägers McCarthy wie auch die Bespitzelung des Friedensnobelpreisträgers Martin Luther King. Gegen die studentische Linke der späten Sechziger war eine eigene Abteilung gegründet worden, das Counterintelligence Programm (Cointelpro). Um die Führung der Black Panther auszuschalten, bediente sich das FBI auch jener „dirty tricks“, die von gezielten Falschaussagen bis zum Mord reichten.

Learys Hoffnung auf eine „intelligente“ Kooperation mit den Geheimdienstlern könnte auf Erfahrungen zurückgehen, die er als Harvard-Professor für Psychologie sammelte. Bis zu seinem Rausschmiss 1963 von der Universität, weil er allzu freigiebig Drogen an Studenten verteilt hatte, forschte er an psychologischen Tests, die später auch von der CIA als Einstellungsprüfung genutzt wurden. Der US-Autor Mark Riebling schreibt in seinem Buch „The Wedge“, Learys erstes LSD habe aus Quellen der CIA gestammt, die seit den Fünfzigern mit psychedelischen Substanzen als Geständnisdrogen experimentierte.

Verschwörungstheorien? In einem Interview mit dem Drogenjournal High Times fand Leary 1978 für die Central Intelligence Agency ebenso dunkle wie lobende Worte: „Wenn man die Dinge im Nachhinein betrachtet, erscheint vieles, was damals wie ein Unfall erschien, eben nicht als Unfall. Die gesamte LSD-Bewegung war ursprünglich von der CIA gesponsert, der ich ansonsten viel zu verdanken habe. Dass ich hier jetzt rede, ist der Weitsicht und dem Ansehen der CIA-Psychologen zu verdanken. Man sollte der CIA dafür danken, eine wahre Intelligence-Agency zu sein.“

Sicher ist, dass Leary die explizit marxistischen Anklänge des amerikanischen SDS nicht teilte. Mit einem Bein stand Leary immer auch auf dem Boden des antikommunistischen Grundkonsens, so wie er gleichzeitig nach Wegen suchte, einen Kapitalismus mit langhaarigem Antlitz zu verwirklichen. Die Spaltung der amerikanischen Linken in Politisierte und Psychedelisierte beschrieb einst Hunter S. Thompson: „Statt Schilder hochzuhalten und revolutionäre Slogans zu verkünden, trugen immer mehr Demonstranten Blumen, Lufballons und bunte Poster, auf denen Sätze von Dr. Timothy Leary, dem Hohepriester der Acid-Bewegung, standen. Die Drogenkultur wuchs schneller, als es die politischen Aktivisten für möglich hielten. Statt, wie die politisch Radikalen, die von der Free Speech Movement kamen, wollten die Hippies aus der Gesellschaft aussteigen, statt sie zu verändern.“

Ob die Gründe für seine FBI-Aussagen nun in Learys politischen Dispositionen zu suchen sind, oder ob vielleicht doch der gute alte Geständniszwang des streng katholisch erzogenen Ex-Professors am Werk war, lässt sich letztlich nicht mit Sicherheit beantworten. Am 31. Mai 1996 starb Leary an Prostatakrebs. Die Frage, ob ein Sünder wie er in das Himmelreich käme, wollte der quirlige Timothy Leary nicht dem Zufall überlassen und verfügte, dass seine Asche an Bord einer Rakete ins All zu schießen sei.