Kleinaktionäre im Bankenkrieg

■ Heute um Mitternacht läuft das Ultimatum in Paris ab: Danach wird sich entscheiden, ob sich drei der größten Banken des Landes gegenseitig übernehmen. Deutsche mischen mit

Paris (taz) – Die größte Börsenschlacht der französischen Geschichte ist heute um Mitternacht erst einmal vorbei. Bis dahin müssen sich die AktionärInnen entscheiden, ob sie zwei Banken an eine dritte verkaufen. Danach muss die Börse die Entscheidungen auswerten. Erst am 17. August erfährt die Öffentlichkeit das Ergebnis – also welche der drei Großbanken Banque Nationale de Paris (BNP), Société Générale (SG) und Paribas nun fusionieren werden: der ganz große Dreier SBP oder der kleinere Zweier Société Générale/Paribas.

Die drei beschäftigen zusammen 130.000 Menschen und bewegten 1998 eine knappe Billion Euro auf ihren Konten. Es würde eine der größten, wenn nicht gar die größte Bank der Welt entstehen. Analysten rechnen damit, dass die BNP die Mehrheit der Paribas-Aktien zugesprochen bekommt. Sie zeigten sich zugleich jedoch pessimistisch, ob dies auch beim SG-Kapital gelingt.

In jedem Fall wird die französische Bankenlandschaft entscheidend verarmen. Denn egal ob nur zwei oder drei Banken fusionieren, werden langfristig Zweigstellen geschlossen und Arbeitsplätze vernichtet werden. Doch darum geht es nicht in der öffentlichen Debatte. Auch nicht um die Frage einer unternehmerischen Strategie für die neu entstehende Großbank. Im Vordergrund der Bankenschlacht steht die Quotierung auf dem Aktienmarkt.

Die Beteiligten BNP, SG und Paribas sind die drei größten Privatbanken Frankreichs. Im europäischen Vergleich freilich rangieren sie erst ab dem 20. Platz. Der Kampf wurde Anfang des Jahres eröffnet, als SG und Paribas ihre Fusion bekannt gaben. Damit weckten sie den Appetit der größten französischen Bank BNP, die ihrerseits eine „Megafusion“ ankündigte, um auf einen Schlag Europas viertgrößte Bank zu werden.

Das sei eine „feindliche Übernahme“, urteilten SG und Paribas unisono. Seither kämpfen die BankerInnen. Und mit ihnen das europäische Banken- und Versicherungskapital sowie die angelsächsischen Rentenfonds. Die französische Großversicherung Axa beispielsweise ist eine „Verbündete“ der BNP und hat zu ihrer Unterstützung eben mal 100.000 Aktien der Paribas erworben.

Auch die Dresdner Bank steht auf Seiten der BNP. Die AGF-Allianz-Versicherungsgruppe hingegen „unterstützt“ die SG. Sie alle tätigten in den letzten Wochen bedeutende Unterstützungskäufe für die eine oder andere Seite.

Währenddessen verloren zigtausende von KleinaktionärInnen – allein Paribas hat 40.000 davon – komplett den Überblick. In den vergangenen Tagen legten sie mit hunderten von hilfesuchenden Anrufen die eilends eingerichteten Hotlines der drei Banken lahm. Die entscheidende Frage am Ende jeder Beratung – was bedeutet das für mein Portmonee? – beantworteten die TelefonexpertInnen entsprechend den Übernahmeinteressen ihrer auftraggebenden Bank. Die BNP sagt jenen Prämien zu, die die ganz große Übernahme unterstützen. Die SG und Paribas versprechen ihren KundInnen den größten Wertgewinn.

Den KleinaktionärInnen galt auch die nie dagewesene Werbekampagne, mit der die drei Banken in den letzten Tagen die Pariser Printmedien von rechts bis links, aber auch einige andere europäische Zeitungen, füllten. 165 Millionen Francs (50 Millionen DM) ließen BNP, SG und Paribas sich den Spaß kosten.

Für die Pariser Zeitungen wurde der normalerweise anzeigenschwache Hochsommer damit zur Boomzeit. In wenigen Tagen erwirtschafteten sie dank des Bankenkrieges zehn Prozent ihres Jahreswerbeeinkommens. Das blieb nicht ohne Folgen auf den Inhalt ihrer Berichterstattung über die Bankenfusion. Das Journal de Dimanche beispielsweise, das in seiner letzten Ausgabe fünf komplette Bankanzeigenseiten hatte, veröffentlichte zwar mittendrin einen Artikel zum Thema. Vor lauter Ausgewogenheit konnte das Blatt sich jedoch zu keiner klareren Aussage entscheiden, als jener, dass alle drei beteiligten Banken Gewinnchancen hätten.

Mit von der Partie war auch die französische Börsenaufsicht. In dieser Woche griff sie ein, um 3,5 Prozent des Aktienkapitals der SG bis Ende August „auf Eis zu legen“, weil die in aller Eile und jenseits der offiziellen Finanzmärkte von der „befreundeten“ britischen Versicherungsgesellschaft CGU erworben worden waren.

Auf Seiten der beteiligten Banken ist der Ausgang der Schlacht bis heute um Mitternach völlig offen. Auch wenn sich alle drei Bankdirektoren in zahlreichen Interviews mit den zuvor großzügig mit Anzeigen bedachten Medien höchst zuversichtlich über ihre Gewinnaussichten äußerten. Möglicherweise wird es auch ein knappes, wenig aussagefähiges Ergebnis. Oder vielleicht eines, das die französische Börsenaufsicht anders auslegt, als die kämpfenden Banken. Für alle Fälle haben die drei „Feinde“ bereits angekündigt, dass sie künftig eine einvernehmliche gemeinsame Direktion bilden würden. Dorothea Hahn