Ein Köder für Serbiens Opposition

Mit einer Regierungsumbildung versucht Jugoslawiens Präsident Milosevic, Teile der Opposition einzubinden und seine Herrschaft abzusichern. Vuk Draskovic zögert und geht erst mal demonstrieren  ■   Aus Belgrad Andrej Ivanji

Unter dem Motto „Wie ködere ich die Opposion?“ luden die Ministerpräsidenten Serbiens und der jugoslawischen Föderation, Mirko Marjanovic und Momir Bulatovic, am Mittwoch die Vertreter aller parlamentarischen Parteien zu Gesprächen über die Umbildung der Landes- und Bundesregierungen ein. Doch das unter Druck geratene Regime in Belgrad kommt mit diesem Schachzug nur vordergründig den Forderungen der serbischen Opposition und der zweiten jugoslawischen Teilrepublik Montenegro nach einer Neuordnung entgegen. Im Grunde genommen will Jugoslawiens Präsident Slobodan Miloševic abermals versuchen, einen Teil der Opposition in sein Machtsystem einzubinden und damit seine Herrschaft zu verlängern.

Gefragt sind nun die im Parlament vertretenen Ungarn aus der Vojvodina, vor allem aber der jugoslawische Ex-Vizepremier Vuk Draskovic. Den „Bund der Ungarn“ und Draskovic' Partei, die Serbische Erneuerungsbewegung (SPO), möchte das Regime der außerparlamentarischen Opposition, der „Allianz für den Wandel“ und der „Allianz demokratischer Parteien“, die Massendemonstrationen in ganz Serbien organisieren, entfremden und in die Regierungen zurücklocken.

Die Umstrukturierung wollen allerdings die auch bisher regierenden Parteien kontrollieren – die Miloševic-Sozialisten (SPS), die Jugoslawische Linke (JUL) unter dem Vorsitz von Miloševic' Gattin Mira Markovic und die ultranationalistische Serbische Radikale Partei (SRS), der Vojislav Šešelj vorsteht.

Bislang ist der monarchistische Wirrkopf Vuk Draskovic zurückhaltend und den attraktiven Angeboten des Regimes nicht, wie früher schon oft, auf den Leim gegangen. Der SPO-Fraktionschef Milan Mikovic erklärte: „Eine so formierte Regierung kann Jugoslawien den Weg aus der internationalen Isolation nicht ermöglichen, deshalb werden wir nicht mitmachen.“ Auf Bundesebene müsse das Amt des Premierministers einem Vertreter der regierenden Partei in Montenegro und ihres vom Westen unterstützten Präsidenten und Miloševic-Kritikers Milo Djukanovic anvertraut werden. Auch die ungarischen Abgeordneten lehnten das Angebot mit einer ähnlichen Begründung ab.

Unterdessen greifen die Hardliner, allen voran Ministerpräsident Mirko Marjanovic und der serbische Parlamentspräsident Dragan Tomic, mit immer härteren Worten ihre Gegner als Verräter und „Söldner der Nato“ an. „Anstatt sich mit dem Wiederaufbau des durch das barbarische Bombardement der Nato zerstörten Landes zu befassen, zeigen diese Personen eine kompromisslose Entschlossenheit, ohne Widerrede die von Nato-Ländern befohlenen Aufgaben zu erfüllen – das legal gewählte Regime in Jugoslawien und Serbien zu stürzen“, schreibt die einflussreichste regimetreue Tageszeitung Politika. Auch den politischen Analphabeten sei inzwischen klar geworden, dass es nicht um Demokratisierung oder Menschenrechte gehe, sondern um Bestrebungen, „Serbien brutal zu okkupieren“ und Leute wie Zoran Djindjic an die Macht zu bringen, die der Nato blind gehorchten. So würde die westliche Allianz für die Kriegsschäden zwischen 70 und 100 Milliarden Dollar nicht aufkommen müssen.

Doch inzwischen machen sich innerhalb der SPS Risse bemerkbar. Der serbische Vizepremier Ratko Markovic wiederholt ständig, man dürfe „dem Volk die Wahrheit nicht länger vorenthalten“. Er war Chef der jugoslawischen Delegation bei den Friedensverhandlungen in Rambouillet und erklärt jetzt, Kosovo sei verloren, weil man schon 1989 bei der Aufhebung der Autonomie erhebliche Fehler gemacht hätte. Auch der Generalstaatsanwalt und ehemalige Bundesinnenminister Vukasin Jokanovic spricht von großen Fehlern. Die SPS habe nur daran gedacht, sich dank des Wahlboykotts der Albaner 30 Mandate im Kosovo zu sichern und nicht die gewaltigen Probleme in der Provinz zu lösen.

Selbst der Kommandant der dritten Armee, Nebojsa Pavkovic, machte einen Rückzieher. Möglicherweise habe er sich falsch ausgedrückt, als er angemerkt habe, das Militär sei auch für die innere Sicherheit des Staates zuständig, sagte Pavkovic und stellte klar: „Nie würde ich Panzer gegen das Volk auffahren lassen, das Neuwahlen fordert!“

Für den 19. August hat die Opposition in Belgrad den „bisher größten“ Massenprotest angekündigt. Auch Vuk Draskovic und der Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche, Pavle, haben ihre Anwesenheit zugesagt.

Auf die Frage, ob diese Ankündigung endlich eine Zusammenarbeit zwischen der SPO mit den beiden oppositionellen Allianzen bedeute, antwortete Zoran Djindjic, Vorsitzender der Demokratischen Partei: „Die Opposition kommt sich langsam näher. Grund dafür sind ähnliche Ziele, die das Volk bestimmt. Die Menschen fordern einen Wandel und Miloševic' Rücktritt. Langsam werden sich alle Beteiligten unmissverständlich entscheiden müssen, ob sie diese Forderungen oder das Regime unterstützen.“