Frisch von der Ziege weg

■ Entsorgen und wiederverwerten: Der amerikanische Künstler Dan Peterman mit siebzehn kleinen, weißen Käselaibchen in der Galerie Klosterfelde

Da sitzen sie fein säuberlich in Reihe: Siebzehn kleine, weiße Käselaibchen, deren Oberfläche freilich schon grüner Schimmel überzieht. Soll man sagen, es ist eine ganz schön mutige Sommerausstellung, auf die sich Galerist Martin Klosterfelde hier eingelassen hat? Doch obwohl es recht warm ist in dem Gewächshaus, das Dan Peterman als „Finishing Room, (Cheese)“ in Klosterfeldes Galerieraum montiert hat – es riecht nicht schlecht. Ein unaufdringlicher, säuerlicher Geruch liegt in der Luft, der tatsächlich ein bisschen nach Ziege müffelt.

Vierzig dieser Tiere produzieren an einem Tag diejenige Menge Milch, die jene siebzehn Käselaibchen ergibt. Sozusagen frisch von der Ziege weg wird die Milch in der Käserei Regow im Havelland verarbeitet. Dan Peterman legt den Fischkäse dann in eine Salzlake aus Regenwasser ein, das er in der Linienstraße einsammelte. Damit ist die Arbeit der Öko-Ziegen und der Öko-Käserei zunichte und der Käse für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet.

Auf der Sondermülldeponie muss der verschimmelte Käse, der nach einer Weile in einer Alukiste verschwindet, um neuen Käserädern Platz zu machen, sicher nicht entsorgt werden. So wie der Käse, den Peterman 1992 in Wisconsin aus vergifteter Milch herstellen ließ. Die Frage nach der Vergänglichkeit, dem Verschwinden der Dinge, ihrer Entsorgung und möglichen Wiederverwertung ist aber die Frage schlechthin von Dan Petermans künstlerischer Arbeit.

„Running Table (Segments)“ hieß 1997 Petermans Ausstellung bei Klosterfelde. Das vorstellbare Szenario zu dieser Arbeit lautete ungefähr so: Da fahren Tausende von Autos die Schnellstraßen entlang, die Fahrer halten an Rastplätzen an, werfen ihre Wasserflaschen aus Plastik in den Müll, und dann stehen irgendwann auf genau diesen Rastplätzen Tische und Bänke in Form massiver Plastikeinheiten herum, die aus ihren weggeworfenen Wasserflaschen hergestellt wurden. An solche Raummöbel erinnerten die Tische und Bänke, die Peterman damals zeigte. Fünf Tische entsprachen dem Jahresverbrauch eines US-amerikanischen Zwei-Personen-Haushalts. Dazu kamen Plastikpaletten, die auch jetzt wieder vorhanden sind. Auf einer davon sitzen nämlich die Ziegenkäse. 14 Paletten entsprechen dem Jahreskunststoffmüll eines durchschnittlichen US-Amerikaners.

Auch so können also Statistiken zur Wiedergewinnung der Welt in ihrer alltäglichen, absurden Produktivität aussehen: anschaulich, körperlich erfahrbar und nutzbar. Neben der schwer belasteten Bedeutungsebene gibt es bei Peterman also auch immer eine spielerische, optimistische Gebrauchsebene. Im Falle des Schimmelkäses gehört dieser Teil der Kunst allerdings eher den Mikroorganismen, die ihm den Garaus machen. Wir dagegen werden mit der Mitteilung beschieden, dass wir nichts über den Ausgang des biologischen Prozesses wissen. „Angesichts dieser Ungewissheit wird die Unmöglickeit des letzten „Finish“ unmittelbar vor Augen geführt.“ Brigitte Werneburg

Bis 11. September, im August Fr., Sa. 11 bis 18 Uhr, Linienstraße 160, Mitte