Funky Netzwerke

Frauen machen zwar super Musik, sind in der Popkultur aber nach wie vor unterrepräsentiert: Das Frauenfestival „Ssshheee“ auf der Insel in Treptow mit Bands wie den Lemonbabies, Cobra Killer und TGV  ■   Von Jenni Zylka

Nehmt zunächst dies: Muss es überhaupt noch ausgeschriebene Frauenfestivals geben? Oder drängt man Musikerinnen damit genau in die Ecke, aus der sie eigentlich längst mit Pauken und Trompeten resp. Keyboards und Gitarren herausmarschiert sein wollten?

Die Ecke, aus der Gemunkel dringt wie „Wir konnten am Anfang unsere Instrumente nicht spielen, hihi“, „Niedlich/sexy, singen, aber ‘n bisschen schräg“ bis hin zu „Sehr selten: sehen gut aus UND können was“. Frauenbands wie die Lemonbabies, die heute wahrscheinlich als Headliner ihren Zitropop an den Mann und die Frau bringen werden, ignorieren solche Überlegungen einfach. Haben weder Probleme mit dem Süß- noch mit dem Girlie-Sein, flirten ungeniert auf und vor der Bühne herum, sind technisch noch lange nicht perfekt und nennen ihre Platten „Pussy!Pop“ oder „Porno.“, ohne damit feministische Statements abgeben zu wollen.

Süße, unkomplizierte Mädchen eben. Im Gegensatz dazu scheint sich die Hamburgerin Elena Lange, Frontfrau von Stella, die mit ihrem Projekt „TGV“ beim Open Air dabei sein wird, der leidigen Gender-Fragen genauestens bewusst. Ihr konnte man auch noch nie musikalische Inkompetenz oder Koketterie vorwerfen, diskutiert sie doch gerne und immer, vor allem mit männlichen Stella-Bandmitgliedern und bei Podiumsdiskussionen über Frauen-und Musikfragen.

Lange sieht das Ssshheee-Festival bestimmt auch unter dem Apekt, dass solche Beweise für „Frauen-können-super-Musik-machen“ leider nach wie vor nötig sind. Und schließlich haben die Veranstalterinnen selbst auf das Geschlecht ihrer Acts und damit auch auf etwaige Niedlichkeit oder Inkompetenz hingewiesen, sie hätten es ja auch „Pop-til-you-drop“ oder so ähnlich nennen können. Aber man ist besonders stolz auf „das zarte Netzwerk“, das laut Presseankündigung zwischen den Frauen aus der Berliner und Hamburger Kultur- und Musikszene, den Macherinnen vor und hinter den Kulissen besteht.

Mit gutem Recht: Es gibt nämlich noch immer kein ausgewogenes Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Musikern, sonstigen Kulturwirkenden und Technikern. Genau dieses Missverhältnis ist der gute Grund für ein Ssshheee-Festival. Um mal wieder eine große Portion Frauencoolness und -kompetenz auf die eine Waagschale zu schmeissen, kann und wird TGV-Kopf Lange beweisen, dass es verdammt wilde Gitarristinnen gibt, die Songs schreiben können wie die AuPairs, trotzdem eigenständig klingen und ganz schön funky für ein Nordlicht sind.

Monsterkünstlerin Breeda C. C. von den Dead Chickens hat „Kunstguckies“ gemacht, über ein Musikprojekt namens 10 B 85 ist bis jetzt nur bekannt, dass es „Coverversionen“ spielt, allerdings nicht im „Jacky and his Strangers“-Sinne. Und Lo-Fi-Expertin Barbara Morgenstern setzt noch eine groovende Vermona-Orgel-Spezialität drauf.

Die Bands und Künstlerinnen, die heute auf der Insel spielen, machen im Unterschied zu Bands bei den „klassischen“ Frauenkonzerten wie dem alljährlichen „Frauenmusik-Festival“ erstens selbstbewusst ganz moderne, verspielte Musik. Und haben zweitens überhaupt keine Berührungsängste mit männlichen Fans oder Kollegen. Noch etwas, was es bestimmt noch nie bei anderen Insel-Open-Airs gab: Damit die Mütter weniger Streß haben, hat man für Kinder ein Planschbecken und einen Spielzeug-Strand eingerichtet.

Keine Angst, das nächste Festival, bei dem der gemeinsame Nenner Männlichkeit ist, kommt bestimmt. Das heißt dann eben „Hhhheee!“.

Ab 15 Uhr 30 auf der Insel, Alt-Treptow 6 in Treptow