■ Das Diepgen des Tages
: Der Vorletzte alias Jürgen Klemann

Einmal im Monat am Sonntag veröffentlicht die Mottenpost aus dem Hause Axel Springer die aktuelle Hitliste der Berliner Politiker – angesichts des zur Auswahl stehenden Personals eine Veranstaltung, die gerade mal so noch als Realsatire durchgeht.

Richtig unangenehm ist der darauffolgende Montag immer für die Sekretärinnen und Mitarbeiter des Senators für Bau und Verkehr, denn der Chef ist dann regelmäßig überhaupt nicht amused.

Jürgen Klemann kann machen, was er will, der Christdemokrat landet zielsicher auf dem vorletzten Platz. Noch unbeliebter beim befragten Publikum ist gewöhnlich nur der PDS-Vormann Harald Wolf.

Der Stadttheoretiker „Parzellen-Dieter“ Hoffmann-Axthelm befand zum Amtsantritt des vormaligen Vize-Chefs des Arbeitsamts II, dass der durch nichts für den bedeutsamen Posten des Bausenators qualifizierte Diepgen-Günstling eine „Beleidigung“ für die Berliner Bürgerschaft darstelle.

Dem lässt sich nicht widersprechen, doch das Problem mit Jürgen Klemann ist ein anderes: Er ist auf einem derartig hohen Niveau unqualifiziert, dass ihm jede Satisfaktionsfähigkeit abgeht. Der gute Mann ist beim besten Willen nicht ernst zu nehmen – die meisten Journalisten haben es deshalb auch aufgegeben, ihn überhaupt zu interviewen.

Interessant ist Jürgen Klemann, weil er der Prototyp des West-Berliner Sumpf-Politikers ist. Der 1944 – wie Diepgen ebenfalls in Pankow – geborene, aber in Zehlendorf aufgewachsene Klemann studierte in den sechziger Jahren an der Freien Universität Jura und diente sich als Funktionär des Ringes Christlicher Studenten, RCDS, empor. Alsbald schuf er sich, begünstigt von dem Zehlendorfer Bezirksfürsten und heutigen CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky, eine Hausmacht.

Und so lange Landi hinter einem steht, kann man nach wie vor in der Berliner Politik alles falsch machen oder auch einfach gar nichts machen – spielt überhaupt keine Rolle. Es spielt keine Rolle, dass der gute Klemann faul ist und in der ganzen Stadt als „Di-Mi-Do“-Senator (Richtig gearbeitet wird nur dienstags, mittwochs, donnerstags) verspottet wird.

Es spielt auch keine Rolle, dass er keine Ahnung von den Problemen hat, über die er manchmal notgedrungen sprechen muss – und dann monoton in den fusseligen Vollbart nuschelt.

Es stört nicht einmal, wenn die BZ ihn genüsslich durch den Kakao schleift, weil er seine Gattin sitzenließ und sich mit einer jungen Blondine von der Mottenpost vergnügte.

Berlin ist wahrlich ein Hort der Toleranz. Jürgen Klemann ist nicht nur der schlechteste Bausenator, den die Stadt seit 1949 erlebt hat, er lehrt uns auch beispielhaft, dass die Achtundsechziger den Leistungsterror der spätkapitalistischen Gesellschaft zumindest in West-Berlin ein für alle mal liquidiert haben. Danke Jürgen.

Gerüchte besagen, dass du aus der Politik aussteigen willst und nach einem neuen Job suchst. Doch als Türöffner für irgendeinen Bauluden wären deine multiplen Talente verschleudert, du bist zu Höherem berufen. Regierender Bürgermeister wäre das Mindeste. Ebi könnte keinen passenderen Nachfolger finden. Molly Bluhm