Leipzig geht Neonazis an die Stiefel

Ein 16-jähriger Rechtsextremist darf zwei Jahre lang keine Springerstiefel mit Stahlkappen tragen. Das sächsische Landeskriminalamt empfiehlt die Maßnahme anderen Bundesländern zur Nachahmung  ■   Von Otto Diederichs

Berlin (taz) – Ende der sechziger Jahre kam die britische Polizei auf den Schuh. Sie entwaffnete tausende von Skinheads vor den Fußballstadien. Eingelassen wurde nur noch, wer seine Stiefel mit Stahlkappen vor dem Station auszog und abgab. Von da an herrschte wieder mehr Ruhe und Sicherheit in den Fußballarenen.

Jetzt wurde in Deutschland erstmals ein „Schuhverbot“ verhängt. Das Ordnungsamt der Stadt Leipzig untersagt einem 16-jährigen Jugendlichen aus der rechten Szene für zwei Jahre ,Springerstiefel mit Stahlkappen zu tragen. Das Verbot umfasst auch das Mitführen von Messern, Baseballschlägern und Eisenketten. Sollte der als Gewalttäter bekannte Schüler sich nicht daran halten, drohen ihm ein Bußgeld von bis zu 50.000 Mark oder Ordnungshaft.

Die Idee zu dieser ungewöhnlichen Maßnahme hatte das sächsische Landeskriminalamt (LKA). Dort ist der Schüler 1996 zum ersten Mal durch seine brutale Vorgehensweise aufgefallen. Wiederholt war er an Überfällen auf Ausländer beteiligt gewesen und ist dabei mit Springerstiefeln und Eisenketten auf die Opfer losgegangen. Am 4. Juli des vergangenen Jahres schließlich wurde der 16-jährige in Markleeberg nach einem brutalen Überfall auf eine Gruppe Portugiesen festgenommen. „Wir haben ihm“, so der Sprecher des LKA, Lothar Hofner, „direkt die Stiefel ausgezogen.“ Sie wurden als Beweismittel und Tatwaffe beschlagnahmt.

Das Strafverfahren gegen den Jugendlichen ist noch nicht abgeschlossen. Aber als die zuständige Staatsanwaltschaft der Polizei mitteilte, sie benötige die Stiefel nicht mehr als Beweisstücke, habe das LKA überlegt, wie es weitere Gewalttaten verhindern könnte. „Uns war klar, dass wir sie nicht zurückgeben wollten“, sagt Hofner. „Aus den Vernehmungen wussten wir, der macht weiter. Er hat uns gesagt, er nehme, was er in die Hand bekomme. Ihm sei das egal.“ Die Sonderkommission Rechtsextremismus (Soko Rex) der Staatsschutzabteilung stellte deshalb beim Ordnungsamt der Stadt den Antrag auf ein „Trageverbot“ . Das LKA stützte sich dabei auf Paragraf 28 des Sächsischen Polizeigesetzes. Danach kann eine beschlagnahmte Sache eingezogen werden, „wenn diese nicht mehr herausgegeben werden kann, ohne dass die Voraussetzungen der Beschlagnahme erneut eintreten“.

Die örtliche Polizei wird das Verbot nun streng überwachen. „Sobald der Junge wieder mit Springerstiefeln oder verbotenen Gegenständen auffällt, wird er überprüft“, kündigt Hofner an. Dies könne durchaus auch unabhängig des Verdachts einer eventuellen neuen Straftat geschehen.

Für das sächsische LKA ist das „Schuhverbot“ ein Präzendenzfall, auf den es bei Bedarf erneut zurückgreifen will. Sollte jemand dagegen Widerspruch einlegen, werde sich schon zeigen, ob es einer gerichtlichen Überprüfung standhält, so der Sprecher. Solange sieht man das Verbot als Maßnahme mit „Pilotcharakter“, die auch anderen Bundesländern zur Nachahmung empfohlen wird. Denn entsprechende Paragrafen finden sich in allen Polizeigesetzen.

Ob die Stiefel vernichtet oder als Anschauungsmaterial verwendet werden sollen, ist noch nicht entschieden.