Nationalist Seselj droht Montenegro

Die Regierung in Podgorica lässt Serbien Zeit mit einer Antwort auf ihren Föderationsplan. Milosevic schweigt sich aus. Die USA und die EU sind entschieden gegen eine formale Sezession    ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

Lange hat die Regierung Montenegros beraten, bis sie am Donnerstag ein Dokument mit dem Titel „Grundlagen für neue Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro“ dem eigenen Parlament, der Regierung Serbiens und den Medien zugestellt hat. In seiner Radikalität geht der Vorschlag Montenegros über die Zukunft des Bundesstaates weiter als allgemein erwartet. Praktisch besagt er, dass die derzeitige Föderation aufgehoben und anstatt ihrer eine Gemeinschaft der beiden souveränen Staaten Serbien und Montenegro mit einer neu zu schaffenden Verfassung gegründet werden soll – eine lose Konföderation anstatt der jetzigen Föderation.

Offiziell nahm das Regime in Belgrad dazu noch keine Stellung. Der Staatsrundfunk schwieg die unangenehme Nachricht einfach tot. Der Pressesprecher der regierenden Miloševic-Sozialisten (SPS), Ivica Dacic, erklärte lediglich, man habe das Dokument offiziell noch nicht erhalten. Zuvor bezeichnete Dacic den reformfreudigen, vom Westen unterstützten montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovic als einen „Verräter und Söldner der Nato-Staaten“.

Anders reagierte der SPS-Koalitionspartner in der Regierung, der ultranationationalistische Führer der serbischen Radikalen, Vojislav Šešelj: „Auf den Versuch einer gewaltsamen Trennung werden wir mit allen Mitteln antworten, wie die USA, falls jemand versuchen würde, ihnen Kalifornien wegzunehmen“, droht er. Eine demokratische Möglichkeit der Sezession einer der beiden Jugoslawien bildenden Republiken sei in der Verfassung nicht vorgesehen.

Nachdenklich meinte einer der bekanntesten serbischen Oppositionsführer, Zoran Djindjic, die Vorschläge seien interessant, man solle sie aufmerksam diskutieren. Eine Veränderung des Namens des Staates Jugoslawien, wie sie Montenegro jetzt unter anderem vorschlägt, sei auch schon vorher im Gespräch gewesen.

Goran Svilanovic, neuer Vorsitzender des Bürgerbundes, gibt Miloševic die Schuld für die gefährliche Entwicklung. „Er hat einen solchen Druck auf Montenegro ausgeübt, dass in diesem Augenblick nicht sicher ist, ob der gemeinsame Staat Serbiens und Montenegros weiter bestehen kann.“ Deshalb seien rasche Veränderungen in Serbien selbst notwendig, um erst dann feststellen zu können, ob noch Zeit bestehe, den gemeinsamen staatlichen Rahmen zu bewahren oder nicht.

Die montenegrinische Führung empfindet das durch nationale und soziale Unruhen erschütterte Serbien, das von der Familie Miloševic-Markovic absolutistisch regiert wird, als einen Ballast, der den Fortschritt der kleinen Adriarepublik behindert. Doch sowohl Washington als auch Vertreter der EU erklärten sich entschieden gegen eine formale Sezession Montenegros.

Der montenegrinische Ministerpräsident Filip Vujanovic erklärte beruhigend, eine Antwort Serbiens erwarte man erst „in einer angemessenen Frist“. Die Montenegriner haben augenscheinlich noch kein Ultimatum gestellt und wollen abwarten, ob man in absehbarer Zeit evtl. mit einer anderen führenden Garnitur in Serbien würde verhandeln können.

Montenegro fordert die vollkommene Gleichberechtigung der beiden Länder, obwohl Serbien 20mal größer ist und 20mal mehr Einwohner hat. Trotzdem sollen in das gemeinsame Parlament beide Teile – in Zukunft Staaten – die gleiche Anzahl von Abgeordneten entsenden. Ein wenig erinnert das an den berühmt-berüchtigten Schwanz, der mit dem Hund wedeln will. Bei diesem Beispiel wäre allerdings hinzuzufügen, dass der Hund selbst schuld ist, wenn der Schwanz sich verselbständigen möchte.

Vom Standpunkt Serbiens aus bedeutet Montenegro vor allem die Verbindung mit dem Meer. Sämtliche bedeutenden Straßen und Eisenbahnstrecken von Montenegro aus führen jedoch über Serbien. Montenegro hat nur einen blühenden Fremdenverkehr anzubieten, ansonsten ist es wirtschaftlich in jeder Hinsicht mit Serbien verbunden. Eine weitere Zerstükkelung der staatlichen Landschaft auf dem Balkan wäre sinnlos. Doch Vertreter der serbischen Opposition sagen, Miloševic habe sich endgültig als ein Verlierer erwiesen, deshalb sei es nicht unlogisch, wenn ein jeder, der es könne, aus seinem Einflussbereich fliehen wolle.

Montenegro hat einen blühenden Fremdenverkehr anzubieten und ist ansonsten in jeder Hinsicht mit Serbien wirtschaftlich verbunden