Obdachlosen-Fernweh
: „Überall ist es besser, wo wir nicht sind.“

■ In der Zentralbibliothek werden Texte von Obdachlosen ausgestellt

Trampdasein hat nicht immer etwas mit Fernweh zu tun. Charlie springt in einen Graben irgendwo zwischen den USA und Mexiko, um keinen Ärger mit der Einwanderungsbehörde zu bekommen. Szene aus einem der Texte, die in der Zentralbibliothek Bremen unter dem Titel „Fernweh“ ausgestellt werden. Präsentiert werden Texte aus einer Ausgabe der Obdachlosen-Zeitung „Straßenfeger“. Obdachlose beschreiben darin ihr Fernweh und ihre persönlichen Erfahrungen in der Ferne. Doris Böttcher, Mitarbeiterin der Zentralbibliothek Bremen, hatte die Idee für die Ausstellung, mit der sie auf die „Straßenzeitung“ und andere Initiativen der Obdachlosen aufmerksam machen will. Eigentlich wollte sie die Ausstellung schon im letzten Jahr organisieren, doch da klappte es nicht.

Ronny, beispielsweise, der nie in der Ferne war, nur einmal von Berlin nach Schleswig-Holstein reiste, beschreibt sein Fernweh. Er versuchte, sich seine Traumwelt zu schaffen; zunächst in Gedanken, später mit Drogen. Oder Sebastian, der in Berlin eher Heimweh statt Fernweh nach seinem Heimatort in Bayern hat. Das, obwohl ihn „die bürgerlichen Leute“ dort nur „schräg von der Seite anschauten“. Neben solchen Berichten sind auch Reflexionen über den Begriff „Fernweh“ und Gedichte ausgestellt.

Doris Böttcher ist durch Zufall auf die Obdachlosen-Zeitung gestoßen und kauft sie seitdem regelmäßig. „Die meisten Leute wissen gar nicht, welches Niveau die Zeitung hat.“ Oft geben Passanten den Zeitungsverkäufern nur Geld, eine Zeitung wollten sie nicht. „Lese ich eh nicht.“ Geplant war, dass einer der Obdachlosen jeden Mittwoch die neue Ausgabe der Straßenzeitung verkauft. Die Verkäufer waren jedoch verunsichert, wenn sie vor der Bibliothek standen und fühlten sich unwohl. Sie verkaufen jetzt wieder wie gewohnt in der Sögestraße.

Zu Beginn der Ausstellung hängen mehrere Wandtafel, die auf die Situation der Obdachlosen aufmerksam machen sollen. Die Aufsätze, in denen es um die Frage der Schuld, die Frage der Moral geht, sind jedoch wenig geglückt, um die zum Teil wirklich interessanten Texte zum Thema Fernweh einzuleiten, die Argumentation mit Hegel, der Bibel und Aristoteles etwas mühselig für den Leser.

Eine eigene Bremer Lokalbeilage, wie zum Beispiel in Hamburg oder Hannover, hat der bundesweite Straßenfeger nicht mehr. Jedoch versucht der Selbsthilfeförderverein Bremen das Projekt langsam wieder aufzubauen. Ein neues Verkäuferteam hat der Verantwortliche Christian Schellert bereits zusammengestellt, doch es fehlt noch an der Ausstattung , um die Redaktionsarbeit wieder aufzunehmen. Kirstin Karotki

Die Ausstellung ist noch bis zum 17. August geöffnet: Mo., Di., Do., Fr., von 11 bis 18 Uhr, Mi. von 14 bis 18.30 Uhr und Sa. 10 bis 13 Uhr.