Die Mannschaft mit den dicksten Oberarmen

■ Mit stark verändertem Team will sich der FC Liverpool wieder an der Spitze etablieren

Sheffield (taz) – Es heißt, vom FC Liverpool seien neue Töne zu hören. Stimme schon, sagt Stürmer Robbie Fowler: „Rülpsen und Furzen während des Trainings ist jetzt verboten.“ Wieder einmal soll beim 19-maligen englischen Fußballmeister alles neu, alles besser werden. Zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass Europas dominierender Klub der Achtziger zuletzt eine wertvolle Trophäe gewann. Zu oft ist man schon enttäuscht worden, weshalb die wenigsten in ungehemmte Euphorie ausbrachen, als Liverpool am Samstag vor 35.000 Zuschauern sein Auftaktspiel der Premier-League-Saison 2:1 bei Sheffield Wednesday gewann.

Nur der deutsche Nationalspieler Dietmar Hamann, der im Sommer für 24 Millionen Mark Ablöse von Newcastle United kam, legte am Samstagabend die Füße hoch; auch das allerdings war kein Ausdruck von Zufriedenheit. Bei einem Zweikampf an der Mittellinie hatte Sheffields mächtiger Stürmer Gerald Sibon nicht nur den Ball, sondern auch Hamanns rechten Fuß erwischt. Nach 25 Spielminuten war die Saison für den Deutschen fürs Erste wieder abgepfiffen; „ich würde auf zwei, drei gerissene Bänder und fünf, sechs Wochen Pause tippen“, sagte Hamann. Sollte sich die Prognose bestätigen, würde er auch die Europameisterschafts-Qualifikationsspiele der Deutschen gegen Finnland und Nordirland verpassen.

Hamanns Ausfall erschwert ein Experiment, das sowieso schon zu den gewagtesten – aber auch aufregendsten – des englischen Fußballs zählt. Nach der schlimmsten Saison in 30 Jahren, die Liverpool als Tabellensiebter abschloss, besetzte Trainer Gerard Houllier sein Team radikal neu. Für 90 Millionen Mark Ablöse verpflichtete der Franzose sieben neue Kräfte – darunter kein Brite. Der Daily Telegraph fragte daraufhin, „ob wir jetzt am Tor zu Liverpools Trainingsgelände den Presseausweis oder den Pass vorzeigen müssen.“

Dabei bestreitet niemand, dass die Zäsur notwendig war. „Liverpool braucht Führungspersonen mit Würde, Klasse und Bescheidenheit“, sagte Paul Ince, der letztjährige Mannschaftskapitän. Und genau deshalb hat ihn Houllier rausgeworfen. Ince, nun zum Ligakonkurrenten FC Middlesbrough abgeschoben, hatte mit einer Gefolgschaft von fünf, sechs Spielern das Arbeitsklima gestört. Den Trainer ließen sie offen spüren, dass sie sich für die Machthaber im Klub hielten; Mitspieler, die ihnen nicht genehm waren, wurden geschnitten. „Als würden die Verrückten das Irrenhaus leiten“, schrieb die Zeitschrift Total Sports über Inces Hausmacht.

Die neue Mannschaft ist eine willige Mannschaft – ob es eine gute ist, muss sich erst zeigen. „Ihr solltet uns noch nicht mit Manchester United oder Arsenal vergleichen, aber wir sollten United und Arsenal näher kommen“, sagt Houllier. Dazu bedürfe es vor allem Disziplin. Und daran mangele es im Liverpool der neuen Töne nicht mehr, weiß Stürmer Fowler zu berichten: „Zuerst haben wir gelacht“, als Houllier das Rülps- und Furz-Verbot aussprach. „Aber dann fanden wir heraus, dass es Le Boss ernst meint.“ Bei Missachtung verdonnere der Franzose das ganze Team zu Liegestützen. Fowler sagt: „Wenn du demnächst Liverpool-Spieler mit mächtigen Oberarmen siehst – du weißt warum.“ Ronald Reng