Rapunzels Grünzeug

Karens KochKunst – die Serie der taz hamburg für GenießerInnen. Teil: 8  ■ Von
Karen Schulz

Neulich, in einem Hamburger Szenerestaurant saß am Nachbartisch ein kleines Mädchen, das sich wohl ein bisschen erwachsen fühlte so am Abend mit den Eltern unterwegs. Deshalb wählte sie auch prompt kein Nudelgericht, zu dem die Mutter riet. Nein, wie bei den Großen sollte es ein Salat sein. Das mütterliche Gesicht zeigte ernste Zweifel, doch sie hatte wohl keine Lust auf Streit, daher bekam die Kleine das Gewünschte.

Was folgte, läßt sich wohl vo-rausahnen: Nach ein, zwei tapferen Bissen war die Lütte wieder ganz klein und quengelte so lange, bis dann doch Spaghetti Bolognese vor ihrer Nase standen. Woran liegt es, dass Kinder nicht auf Salat stehen? Zu gesund? Es mag am Dressing liegen: Kinder haben bekanntlich viel feinere Geschmacksnerven als Erwachsene und mögen wohl den Essig nicht.

Aber auch Erwachsene sind oft krüsch: Wann schmeckt Salat wirklich richtig gut? Selten in Restaurants – und den meisten sogar nur dann, wenn sie die Sauce selbst gemischt haben. Trotzdem: Immer und überall gibt es Grünzeug – von der zarten Deko am Tellerrand (meist extrem fade) bis hin zum üppigen Hauptgericht in Vegetarien.

Mancher Salat ist dann allerdings so delikat, dass ihm gleich ein Märchen gewidmet wird: Rapunzel, nach dem malerischen Namen für Feldsalat benannt, fristete ihr Dasein nur deshalb im türlosen Turm, weil ihre Mutter aufgrund von Schwangerschaftsgelüsten den Vater im nachbarlichen Garten Rapunzel stechen ließ. Tja, Garten sowie Salat gehörten einer grausamen Zauberin, die im Austausch das Kindchen forderte. Vielleicht nicht ganz realistisch, das Märchen – obschon so manche für Feldsalat wirklich zu Untaten bereit wäre.

Im Gegensatz zum allgegenwärtigen Eisbergsalat: Nur zu Recht hat das fade Grünzeug mal jemand den „Polyester unter den Salaten“ genannt – ist er doch kaum von seiner unsäglichen Plastikumhüllung zu unterscheiden.

Damits schmeckt, läuft es bei der Anmache vom Salat auf wenige wichtige Grundregeln hinaus: Gut geschleudert müssen die Blättchen sein, sonst verwässert die Sauce. Je zarter der Salat, desto weniger Zeit sollte zwischen Mischvorgang und Essen vergehen – außerdem versteht es sich von selbst, dass nur sanft gemischt werden darf. Das gilt für alle Sorten: Auch ein heftig gerührter Kartoffelsalat wird zu matschigem Brei und turnt dann eher ab.

Je neutraler die Zutaten an sich schmecken (z. B. Reis, Kartoffeln oder Nudeln), desto besser bekommt dem Ganzen eine heftig gewürzte Sauce und genug Zeit, um die auch aufzunehmen. Dann wird kein Nudelsalat mehr zum Partyschreck, der zäher als der letzte Gast ausharrt – sondern zum erklärten Liebling aller BüfettgängerInnen.

Ansonsten empfiehlt sich Mut zum Experiment: Die schrägsten Geschmackskombis sind oft die besten – aber Achtung: nicht zu viele Zutaten verwenden, sonst erschlägt eine Komponente die nächste.

Wer gerne mit Unterstützung rumprobiert, dem sei das schöne und informative Salatbuch aus der GU Küchenbibliothek ans Herz gelegt: Das gibts nämlich momentan zum günstigen Testpreis – so dass noch genug Geld zum käuflichen Erwerb vom Feldsalat bleibt. Wer hat schon Lust, sich mit Zauberinnen anzulegen?

Salate. Die GU Küchenbibliothek. Gräfe & Unzer, 1997, 144 S., 15 Mark.