Pflastersteine in Goethes Garten

■ „Weimar – Ein Mythos“: Die Fotografien der Beuys-Weggefährtin Ute Klophaus im Altonaer Museum erkunden die leeren Räume des Abwesenden

Tauben, einsam im Geäst über dem Friedhof oder schnäbelnd als Deckengemälde in Schloss Belvedere: Der Blick von Ute Klophaus auf eine so berühmte Stadt wie Weimar ist auf eine respektvoll-ironische Art anders als gewohnt. Die Bilder, die die Wuppertaler Fotografin in insgesamt sechswöchigem Aufenthalt im letzten Jahr in Deutschlands Klassikerstadt erspürt hat, sind nun im Altonaer Museum zu sehen. Die Fotos von Ute Klophaus spüren in menschenleeren Details dem „Geist des Ortes“ nach – und in ihren Bildern wird diese Phrase wieder klar. Durch ihre zwanzigjährige Zusammenarbeit mit Joseph Beuys wurde sie zur Autorin der wohl bedeutendsten fotografischen Werkbegleitung eines Künstlers überhaupt. Ihre schwarz-weißen Bilder zeichnen sich stets durch eine oder mehrere gerissene Kanten aus: So wird beiläufig, aber beständig darauf verwiesen, dass Fotografie nur ein willkürlicher Ausriss der Realität ist.

Diese Welt besteht aus Licht und Schatten, als Bild, im Bild und als Metapher: Formen der Palmenwedel im sonnigen Kies und weiße Gipsbüsten im Halbdunkel, Pflasstersteine in Goethes Garten im Gegenlicht und Betonplatten in Buchenwald. Die Bilder haben eine eigenartige, über das Motiv hinausweisende Stimmung. Dieses unbestimmt Hintergründige interessiert Ute Klophaus besonders. Und obwohl sie weiß, dass sie fortgesetzt etwas abzubilden versucht, das nicht sichtbar gemacht werden kann, sucht sie diese weiterführende Dimension. Dabei ist für sie das traditionelle Medium besonders leistungsfähig: „Schwarzweiß-Fotografie ist für mich die einzige Möglichkeit, auch dem Abwesenden einen Raum zu geben“, sagt die Fotokünstlerin.

Nicht unerheblich ist auch die Hängung der Bilder, die in allen Höhen und Tiefen der Wand Dialoge zwischen den Einzelbildern ausspielt. So gucken sich die Gipsköpfe der Geistesheroen über einige Distanz wohlwollend an, die Totenmasken von Goethe und Schiller aber berühren sich übereck: auf ewig getrennt und doch im Tode nah. Und neben den Schatten der Nachbauten alter Tempel und dem bröckelnden Putz der Fassaden ist ein abgerissenes Werbeposter ins Bild gesetzt: Die Schlagzeile lautet „Sehnsucht der Seele“. Ach ja, in Weimar klingt so manches seltsam anders. Hajo Schiff

„Weimar – Ein Mythos“, Fabrik Fotoforum im Altonaer Museum, Museumstr. 23, bis 12. September