AK Kraak Attak

Gegenöffentlichkeit herstellen, Bündelungen suchen, die Erzähllogik verwirren: AK Kraak im B-Movie  ■ Von Axel John Wieder

Wenn AK Kraak ein neues Band zeigt, liest sich die Liste der Aufführungsorte wie eine geträumte Kartografie des anderen Berlins. Seit inzwischen fast 10 Jahren produziert die unabhängige Videogruppe etwa halbjährlich ein „tief-seh-video-magazin“ und führt es öffentlich auf. Als wesentlichen Bestandteil ihrer Arbeit beschreibt AK Kraak diese Art der Distribution, die ein Ziel der Bänder auch infrastrukturell umsetzt: eine Gegen-)Öffentlichkeit herzustellen.

Entstanden während der letzten Hausbesetzerbewegung in Ost-Berlin anfang der 90er Jahre, hat sich das Kollektiv als eine der wenigen damaligen Initiativen nicht zwischen Repression und Alltag verschleißen lassen. Im Gegenteil, der thematische Rahmen hat sich stetig erweitert und auch die städtischen Grenzen weit hinter sich gelassen. Die gegengeschichtliche Aufzeichnungsfunktion derKraak-Bänder umfasst immer noch den Beteiligtenblick auf die klassischen Themen um besetzte Häuser, Antifaschismus und die Arbeit diverser aktivistischer Gruppen. So berichtet die aktuelle 18. Ausgabe unter dem Sublabel Assi-TV über die drohende Räumung des autonomen Zentrums „Köpi“ und die Demonstrationen gegen den Berliner Nazitreff „Café Germania“. Entfernter liegt da eine internationalis-tische Überfahrt von Italien nach Albanien, die mit all ihren Merkwürdigkeiten gezeigt wird, inklusive des Empfangs durch ein offizielles Komitee unter der Henry-Maske-Hymne. Unter anderem dieser Beitrag lässt sich formal keinesfalls mehr unter dem gerne herbeizitierten Motto „Trash“ f beschreiben.

Vermurkste O-Töne sind inzwischen aus reality-suchenden Reportagemagazinen aller Kanäle bekannt, hier aber bricht die langwierige, manchmal auch unerwartet enttäuschte Erzähllogik das Format. An solchen Stellen wird auch die „Spaß“-Orientierung anderer Beiträge wieder plausibel, die Home-Recording-Methoden weitere Drehungen tiefer schrauben.

Mit Professionalisierung hat die Entwicklung des Formats AK Kraak nur am Rande zu tun. Zwar wurde ein neues Schnittstudio in einem selbstverwalteten Sanierungsprojekt in der Berliner Kastanienallee bezogen, dort werden jetzt auch technische Kurse etc. angeboten. Der Wunsch nach persönlicher Verbindlichkeit strukturiert das Videomagazin aber wie in früheren Ausgaben. Die Kritik an herrschenden Modellen der Informationsvermittlung setzt auf Vertrauen, Minus-Ökonomie und eine basisdemokratische Organisation. Redaktionelle Entscheidungen werden über die Teilhabe am Aufgezeichneten getroffen und subjektiviert. Der Blick auf die Darstellungsformen hat sich aber geschärft.

AK Kraak könnte innerhalb eines Zusammenhangs gesehen werden, der sich dem Verhältnis von Politik und Bild am Beispiel von Videodistribution widmet. Kunst/Polit-Gruppen wie das kurzlebige Wiener Lokal-TV oder die im Umfeld der Berliner Innenstadt-Aktion produzierten a-clips – von denen einige aus der 2. Staffel in der aktuellen Kraak-Ausgabe zu sehen sind – suchen eine Möglichkeit zur Beantwortung der Frage, wie man innerhalb kürzester Zeit zu einer politischen Aussage kommt. Nimmt man den Begriff des Politischen ernst, kommt der Antwort notwendigerweise auch die Aufgabe zu, eine Formulierung von möglicher Politik mitzubestimmen.

In zwei Beiträgen des Kraak-Tapes, die etwas außerhalb des Ausgabenschwerpunktes zu Grenzpolitik und der Illegalisierung in Deutschland lebender Migranten stehen, werden die medialen Berichterstattungen ausführlich miteinbezogen. Über die Kurdenproteste in Berlin äußern sich verschiedenste Vertreter mit zum Teil konträren Meinungen, denen aber die dokumentierte Hetzkampagne des bundesrepublikanischen Tenors in Wort und Bild dennoch deutlich entegegensteht.

Ein Bericht über die Belgrader Anti-Kriegs-Bewegung zeichnet ebenfalls ein deutlich differenziertes Bild, auch hier stehen Demoaufnahmen und Interviews gegen dazwischengeschnittene Fernsehstücke. Die Produktion gesellschaftlicher Bilder mitzureflektieren, erfordert auch vom Videoformat, Gegenöffentlichkeit formal anders als nur quasi-authentischer zu verhandeln. Dass das bei AK Kraak nicht in eine auf politische Einflussnahme schielende Zielgruppenorientierung aufgehen könnte, wird anhand der subjektiv gehaltenen Ambivalenzen deutlich. Sogar das beliebte Spielchen mit TV- und Filmschnipseln und Monstern und grauem Rauschen zwischen den einzelnen Teilen sieht richtig gut aus.

heute, 20.30. Uhr. B-Movie