Streit um Gedenken

■ Mahnmal für Euthanasie-Opfer in der Tiergartenstraße sorgt für Kontroverse

Der Vorschlag, ein Mahnmal für Euthanasie-Opfer zu errichten, hat den Streit um Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus neu entfacht. Politiker aus SPD, Grünen und PDS unterstützten gestern die Forderung des „Bundesverbandes der Psychiatrie-Erfahrenen“ nach einem „Haus des Eigensinns/Museum der Wahnsinnigen Schönheit“ vor der Philharmonie. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Volker Liepelt, lehnte dagegen den Bau neuer Gedenkstätten ab und befürchtete eine „Inflation der Mahnmale“. In seiner Fraktion herrsche eine „generelle Skepsis“.

Von der „Zentraldienststelle“ – einer Villa in der Tiergartenstraße 4 – aus planten die Nazis ab 1939 die Ermordung von Psychiatriepatienten und Behinderten. An die „Aktion T4“ erinnert bisher nur eine Bronzeplatte.

Der SPD-Spitzenkandidat Walter Momper begrüßte den Vorschlag des Bundesverbandes. Die Einrichtung einer solchen Gedenkstätte sei „keine Frage des Wahlkampfes, sondern des politischen Anstandes“, sagte er der taz. „In London oder Paris gibt es an jeder dritten Ecke ein Mahnmal.“

Auch die Grünen unterstützen die Forderung, das vorgeschlagene Museum einzurichten. Der Pressesprecher der Grünen-Fraktion, Matthias Tang, kritisierte, auch ein Mahnmal für ermordete Sinti und Roma sei „längst überfällig“. Nachdem der Bau des Holocaust-Denkmals beschlossen sei, dürfe nun an andere Opfergruppen nicht „irgendwo im Wald“ erinnert werden.

Die Fraktionsvorsitzende der PDS, Carola Freundl, sprach sich ebenfalls für die Errichtung einer Gedenkstätte an „zentralen und authentischen Orten“ aus. Der Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen, aller Nazi-Opfer an der Neuen Wache zu gedenken, sei „absolut abzulehnen“.

Die Senatskanzlei will sich zu der Frage zur Zeit nicht äußern. Der Plan des Bundesverbandes der Psychiatrie-Opfer, den auch der Rhetorikprofessor Walter Jens und der ehemalige Präsident der Berliner Ärztekammer, Ellis Huber, unterstützen, sieht die Einrichtung eines Museums vor, in dem die Euthanasieverbrechen dokumentiert und Werke von psychisch kranken Künstlern ausgestellt werden. Im Gespräch ist die Sammlung des Heidelberger Psychiaters Hans Prinzhorn, der zwischen 1919 und 1921 rund 5.000 Exponate von psychisch kranken Künstlern zusammengetragen hat. Die Universität Heidelberg, die die Sammlung verwaltet, lehnt eine Herausgabe bislang ab.

Andreas Spannbauer