„Bestrafen hilft nie“

■ Kongress-Thema Drogensucht: Psychiater fordern Therapie statt Ideologie

Die Kritik des Wissenschaftlers in Richtung Politik war höflich formuliert, aber bestimmt: „Das Thema Drogen und Sucht für Wahlkämpfe zu nutzen, ist nicht produktiv“, weiß Michael Krausz, stellvertretender ärztlicher Direktor an der Psychiatrischen und Nervenklinik des UKE und Sprecher des Psychiatrischen Weltkongresses, der heute in Hamburg zu Ende geht: „Das Bestrafen der Abhängigen hat noch nie irgendwo auf der Welt einen positiven Einfluss gehabt.“ Gestern informierte der Kongress über neue Entwicklungen von Suchterkrankungen und deren Therapie.

Globaler Spitzenreiter ist unverändert die Nikotinsucht, unter der in Deutschland acht bis zehn Millionen Menschen leiden – auch auf dem Kongress waren zahlreiche von ihnen vertreten. Als Therapie habe sich eine Art „Substitution“ mit Nikotin-Kaugummis oder -pflastern bewährt, so Krausz. Kritisch wertete der Wissenschaftler die US-Urteile, nach denen Tabakkonzerne Entschädigung an Konsumenten zahlen müssen: „Eine Eigenverantwortung gibt es trotzdem.“

Gleiches gilt für den Konsum eines anderen Suchtmittels, bei dem Deutschland traurige Weltspitze ist: dem Alkohol. Experten schätzen, dass rund zweieinhalb Millionen BundesbürgerInnen Probleme mit dem Stoff haben – zehnmal soviele, wie von illegalen Drogen abhängig sind.

Dass die „therapeutischen Spielräume“ für letzere durch Substitution und Gesundheitsräume gewachsen sind, so Krausz, sei aber weniger einer „höheren Einsicht“ zu verdanken als der gesellschaftlichen Angst, etwa vor AIDS. In der Schweiz dagegen sehe man das Thema schon lange pragmatischer und habe gute Erfolge damit. Leider sei der Einfluss der Wissenschaftler auf die Politik zu gering, aber „auch hier in Deutschland müssen wir weg von der Ideologie und hin zu dem, was hilft“, fordert der Wissenschaftler.

Dabei hat sich auch die Definition dessen, was eine „erfolgreiche Therapie“ sei, gewandelt, erläutert Krausz. Während das Ziel früher vor allem die Abstinenz war, akzeptiere man es heute auch schon als Fortschritt, wenn etwa ein Heroinsüchtiger den Stoff nicht mehr per Spritze nehme, sondern rauche. hedi