Zuckersüße Regina ...

... oder die Kunst, der Einen zu gefallen: Aus den Erinnerungen an eine Jugendliebe in Bremen  ■ Von Martin Korol

Bremen 1961. Ich war 16 und ging in die zehnte Klasse, 10A des humanistischen Alten Gymnasiums (AG) an der Dechanatstraße . Unser Klassenlehrer war Bernhard Harms, Latein und Griechisch. Ich war nie ein guter Schüler, weder von den Leistungen noch vom Verhalten her. Harms schrieb meinen armen Eltern: „Und wenn dieses faule Stück Fleisch vor mir sitzt ...“ Den Brief haben wir noch. Deutsch und Geschichte hatten wir bei Heinz Ide. Ich habe noch ein Foto von ihm im Album. Seinerzeit schrieb ich darunter: „Ide, Gott und Arsch!“ Er war der Intellektuelle schlechthin und prägte uns. Er akzeptierte nur solche Schüler, die auf seiner Wellenlänge funkten. Ich gehörte nicht dazu, obwohl ich es wirklich versuchte. Er ohrfeigte mich noch in Klasse 11. Nächtelang malte ich mir aus, wie ich ihn umbringen könnte. Um es ihm zu zeigen, wurde ich Lehrer mit seinen Fächern.

Ich blieb zweimal sitzen, in Klasse 7 und 11, und machte im Kurzschuljahr 1966 das Abitur zweimal. Ich war an dieser schönen Welt interessiert, schaute hier und da und versuchte mich anzupassen, war aber ziellos. Einmal sitzenzubleiben war für Jungen normal, die sog. „Ehrenrunde“. Man gestand dem Schüler eine Krise oder ein längeres Engagement in außerschulischen Dingen zur Ausbildung einer Persönlichkeit und kommenden Führungskraft zu. Wichtig waren Abitur und Studium, deren erfolgreicher Abschluss den Beruf der Wahl garantierte beim Staat , in einem Betrieb, in der väterlichen Praxis oder als Selbständiger. Man trat in die Fußstapfen des Vaters oder schaffte aus dem Kleinbürgertum den Aufstieg zum honorigen Bürger. Zehn Prozent der Schüler machten Abitur. Es war das Eintrittsbillet in eine bürgerliche Gesellschaft mit aristokratischen und elitären Zügen. Zusammen mit mir trat 1996 Hans-Günther B. zum zweiten Abitur an. Man ließ ihn, der aus kleinen Verhältnissen kam, erneut durchfallen. Bei einem Klassentreffen 1996 gestand er, inzwischen erfolgreicher Versicherungskaufmann und Millionär, er mache einmal im Monat Abitur in seinen Alpträumen.

Ich war unaufgeklärt. Biologielehrer Hermann Klie erzählte uns, daß die Blüten der Trümmerrose wechselseitig-gegenständig angeordnet seien, aber als ich Haare an den Beinen bekam, schabte ich sie mit der Rasierklinge ab und schnitt mich so, dass ich am Oberschenkel einen Abszess bekam, dessen Narbe noch heute davon zeugt. In Klasse 6 und 7 war ich mit Mädchen zusammen wie Uta Böhnke, Christiane Schmerl und noch irgendwelchen, an die ich mich nicht einmal erinnere, wenn ich das Klassenfoto vor mir habe. Ich schwärmte für Ariella. Sie war Italienerin, schwarzhaarig, mit braunen, ewig lachenden Augen. Sie war ein ordentliches Stück größer als ich, auch katholisch und immer herzlich. Sie kam aus Triest und wohnte in der Goebenstraße, der Vater arbeitete als Diplomingenieur auf der AG „Weser“. Die Mutter war rund und wunderbar. Ich lud Ariella ein, sie mich. Es war schön, vor allem an ihrem Geburtstag, zu dem ich mit gebügelten Nietenhosen erschien. Es gab Pizza und Kakao. Ich war der einzige Junge; nicht einmal Wolf-Egbert Klapproth war eingeladen, der dann als „Wolf Roth“ Schauspieler wurde und mein ärgster Konkurrent bei Ariella war.

Die Jungs gaben den Ton an: Besch, (Ralf) Borttscheller , Busch, Büttner, Eggert, Frick, Fritsch, Georgi, Havlizza usw. Ich war nun nicht mehr Klassenstärkster wie am Gymnasium Antonianum in Vechta, woher wir 1956 gekommen waren – Günther Eggert kriegte mich gleich in der ersten großen Pause unter. Arnd Sebelewski spielte Tennis und trug ein Fred-Perry-Hemd; Jens Mann hatte Reitunterricht und beim Köppen mit Tennisbällen in den Pausen waren vier Leute besser als ich. In Mathe machten sie in Bremen schon Periodenrechnung, und in Erdkunde redeten sie nicht über Torfgewinnung in Wiesmoor, sondern über Mandarinen aus Kalifornien. Ich hörte davon zum ersten Mal. Außerdem machten einige in der Klasse schon Partys und küssten Mädchen, jedenfalls ging das Gerücht.

In Klasse 7 blieb ich sitzen wegen Mathe und Latein. Ab der zweiten Klasse 7 bis zum zweiten Abitur war ich in der jeweiligen reinen Jungenklasse meines Jahrgangs.

Rainer Maria Wollny war mein Freund. Wir waren beide Messdiener in St. Marien in Walle gewesen, bis 1959 unsere Findorffer Gemeinde St. Bonifatius eine eigene Kirche bekam. Er ging in die Parallelklasse und war von Klasse 8 bis 9 in seine Mitschülerin Gaby Eckhoff verliebt, ohne dass sie je davon erfuhr. Zur selben Zeit wagte ich mich nur selten auf den Schulhof, denn jedes Mal, wenn ich ein Mädchen ansah, wurde ich rot, weil ich dachte, sie sieht mich an. Zu Hause schnitt ich mir in beide Wangen ein Loch, damit das Blut abfließt, aber das nützte nichts. Rainer und ich lasen immer wieder die selben Stellen in „Frauen und Mönche“, wie der Mönch Afonka das Mädchen rückwärts ins Moos kippt und sie einen spitzen Schmerz empfindet und wie aus dem Klosterbrunnen die Säuglingsskelette geholt werden. Schließlich vergruben wir den Wälzer reumütig.

Mit Mädchen kam ich erst wieder in der Oberstufe in den Wahlfächern „Fremdsprache“ zusammen. In Hebräisch war nur ein Mädchen, das Theologie studieren wollte und nicht sehr offen für unsere Annäherungsversuche war. In Französisch lief es sehr schnell ganz schlecht für mich. Als ich mit der Hausaufgabe über „Je suis, tu as ...“ extreme Schwierigkeiten hatte, weil meine Banknachbarin Alexandra sich wieder so hart an den Tisch gesetzt hatte, dass ihre Brüste auflagen , warf mich Frau Philip hinaus: „Martin, was wollen Sie mit Französisch?!“

Ich hatte drei Schwestern. Christel war ein Jahr älter als ich. Über sie fragte ich 1957 bei ihrer Freundin Datty Becker an, ob sie mit mir gehen wolle. Sie ließ mir ausrichten: „Mit diesem Gartenzwerg und Wurzelgnom“ – sie meinte mich! – wolle sie nichts zu tun haben. Ich war 1,46 Meter groß und sah, was lief, wusste aber nichts. Ich war Messdiener, Pfadfinder und lebte in der Welt von Odysseus, Siegfried, Sigurd, Prinz Eisenherz, Old Shatterhand und Don Quichote. Auch beim Rudern im BRC-Hansa ab 1958 kam ich den Mädchen nicht näher. Von Wanderfahrten, auf denen man sich in Harriersand oder weseraufwärts in Badener Berge mit Mädchenvierern traf, hatte ich wohl gehört, dergleichen aber nie erlebt. Alle Gymnasien boten Rudern auf der Weser als Arbeitsgemeinschaft an, auch die Mädchengymnasien. Die Mädchen machten kein Regattatraining, sondern „Stilrudern“, Regina übrigens auch. Es gab keinen Versuch einer Annäherung, von keiner Seite. Man sah sich höchstens auf dem Ball nach der Schülerregatta im Herbst. Gemischte Vierer kamen erst in den 70er Jahren auf.

Nun gut, ich war Flüchtling und katholisch, ein Sonderfall. Aber ansonsten waren die meisten meiner Mitschüler genauso behindert. Wir waren der Typ materiell sorgenfreier und durchgeistigter bürgerlicher Jüngling, der dem Ideal des Mittelalters und der Romantik verpflichtet war; der glaubt, er müsste und könnte die Jungfrau befreien, die der Drache gefangen hält, obwohl schon viele Ritter, stärker als er, tot vor der Höhle liegen, und der es für möglich hält, dass Indien auch westwärts zu erreichen ist. Wir fühlten uns mehr als Vertreter der Spezies Mann denn als Individuen, die jeweils ihr eigenes Ziel zu suchen und ihren eigenen Weg zu gehen hatten. Wichtig war unsere Position in der Gruppe und in der Klasse. Überkam uns die Liebe, waren uns der Vorgang und die zu erwartenden Verhaltensweisen aus der Literatur geläufig. In der Angebeteten sahen wir die Vertreterin ihrer hochgepriesenen Gattung, nicht das Individuum. Für ein Mädchen zu schwärmen, gehörte sich, war Anlass, Tagebuch zu schreiben, zu dichten, Verse aus Ovids „Ars armatoria“ oder Sappho zu übersetzen, ein Instrument zu lernen oder zu träumen. Aufgabe war, maßlos zu lieben und zu leiden. War die Schmerzgrenze überschritten, hatte einen die „Große Liebe“ erwischt: „Odi et amo, quarid faciam, fortasse requiris. Nescio, sed fieri sentio et excrucior.“ Sie war eine Sucht und hatte nichts mit der tatsächlichen Beziehung des Jünglings zu dem Mädchen und schon gar nichts mit ihrer Beziehung zu ihm zu tun: „Was interessiert es Dich, dass ich Dich liebe?!“ Das Bild der Geliebten wurde zur Ikone. Dieser Zustand dauerte zwei, drei Jahre. „Ging“ man dann mit einem Mädchen, weil es sich so ergab, wurden die Gespräche mit den Freunden seltener, auch über die Freundin, und die Gespräche mit ihr immer trivialer. Erotik und Sexualität überdeckten das grundsätzliche Missverständnis und die aufkommende Einsamkeit.

Das erste Mädchen, das ich küss-te, war die temperamentvolle Barbara. Wir trafen uns 1959 bei einer Party im Hause von Walter Meyer-Buer, dessen Vater bis zum Verbot der KPD MdBB und Senator gewesen war. Wir hotteten zu Ted Herolds „1:0“, dann bewegten wir uns langsam im Einheitsschritt links-rechts ran, links-rechts ran, links vorbei-rechts ran zu Peter Kraus „Straße der Sehnsucht“ und sie zog mich unter die Treppe und küsste mich, nicht umgekehrt. Dafür schämte ich mich hinterher so, dass ich am nächsten Montag nicht in die Schule ging. Auch sie war eine Außenseiterin. Auf einer Fahrt nach Straßburg zum Europa-Parlament, die ihr Vater organisiert hatte, führten Richard und ich Misswahlen durch. Wir überreichten ihr für den letzten Platz ein Gänseblümchen.

Was Mädchen von Jungs wollten, war mir ein Rätsel. Sicherlich waren sie realistischer und strebten nach Sicherheit. Sie waren gefährdeter und hatten sich möglichst schnell um einen Mann zu kümmern, der sie und die Kinder versorgen bzw. das väterliche Geschäft übernehmen konnte. Sie standen in einer Tradition, die bis zum Ersten Weltkrieg galt, wonach unverheiratete Frauen ab 25 zu keinem Ball mehr eingeladen wurden. Abitur und Studium dienten ihnen vorrangig zur Erhöhung des Marktwertes und Absicherung im Notfall und nur selten zur Berufsfindung und Lebensplanung. Angeblich waren Mädchen Gefühlsmenschen und redselig, aber über ihre Gefühle erzählte mir von den vielen Mädchen, die ich kannte, nur Renate aus München etwas, und das war 1967. Auf 1.000 Liebeserklärungen, die ich jemals von mir gab, kamen zehn von Seiten der Mädchen und das auch nur kurz: „Ich Dich auch“. Sie schwärmten wohl für ihren Deutschlehrer, Paul Anka oder Rock Hudson, alle unerreichbar, aber hysterisch wie die Mädchen in Amerika, England und Frankreich bei einem Konzert wurden unsere nicht. Es gab auch keine Konzerte. Als G.I. Elvis Presley 1958 in Bremerhaven ankam, wurde er neugierig bis begeistert empfangen, aber kein Teenager hyperventilierte. Aktiv beim anderen Geschlecht wurden nur einzelne Mädchen aus großbürgerlichen Verhältnissen wie Annerose D. Ihr Vater war Bremer Generalstaatsanwalt. Mit ihr und ihrer ebenfalls wunderschönen Schwester sang ich im Theaterkinderchor in „Carmen“ und „La Bohème“, bis ich in den Stimmbruch kam. Annerose war eines der wenigen Mädchen am AG und der Traum ganzer Jahrgänge. Sie hielt ihre Abiturrede auf Altgriechisch.

Mädchen gingen nicht in Seidenstrümpfen und Stöckelschuhen zur Schule und wenn doch, wechselten sie die Strümpfe in der Straßenbahn und schlüpften im Windfang in linoleumgerechte Treter mit Blockabsätzen. Annerose hingegen erschien als erste Schülerin Bremens im Sackkleid in der Schule und stöckelte gekonnt vor unseren leuchtenden Augen die Treppe hoch und runter.

Unsere Schulen standen zwischen dem Internat des jungen Törless und der heutigen Schule. Trotz aller sozialdemokratischen Schulreformen, und Bremen stand darin unter dem ausgezeichneten Senator Willy Dehnkamp an der Spitze der deutschen Bundesländer, wog die Tradition schwer. Es gab Gymnasien für Jungen wie das Hermann-Böse-Gymnasium (HBG), den Barkhof, den Waller Ring, die Hamburger Straße und unser AG, in der Neustadt noch den Leibnizplatz. Die Koedukation setzte sich nur langsam durch.

Jede Schule hatte ihren Ruf und ihre Beziehungen. Zu Klassen- und Schulfesten luden HBG und AG die Damen der drei Mädchengymnasien ein, klassenweise oder die ganze Oberstufe in den halbdunklen Fahrradkeller zum Oberstufenball. Ein Lehrer hatte Aufsicht. Herr Hennings ging mit seiner Hand dazwischen, wenn er meinte, ein Paar tanze zu eng. Die Mädchen von der Kleine Helle hatten den Ruf, leicht hausbacken, aber freundlich zu sein. Die „überkandidelten Weiber von Kippenberg“ – Kunst und Musik waren da Hauptfächer – waren etwas für unsere Intellektuellen, Dichterfürs-ten, Philosophen und Theaterleute. Von denen hatte das AG einige: Hans-Christoph „Pico“ Blumenberg, Hartmut Bobzin, genannt „Hölderlin“, Detlev Claussen, Klaus Goldeck, Till Lahusen, Dietmar Michelsen, Herbert Scherer.

Sie repräsentierten mit ihrem Elternhaus und im Gehabe den Geist des Hauses. Es gab einen „Prima-Verein“, zu dem man dazugebeten wurde. Selbst ich, Nestor der Schülerschaft, erfuhr davon erst nach der Schulzeit, Ingwer Jürgensen erzählte mir davon. Er hatte diesem elitären Zirkel angehört, ohne zu wissen, warum er würdig genug war. Katholische Flüchtlingskinder wie ich oder mein alter Kumpel Richard Zinnendorf als Sohn eines Malermeisters waren Außenseiter. So kamen auch die Mädchen von Kippenberg zu uns oder wir besuchten sie in ihrem Ledertapetenraum. Am begehrtesten aber waren die Mädchen von der Karlstraße . Sie waren, Tatsache, durchweg die hübschesten und auch noch nett. Nahe ihrer Schule waren zwei Eisläden, Fuoli und Chiamulera, gern besuchte Treffpunkte neben Eduscho am Markt, Café Jacobs in der Knochenhauerstraße und Nörenberg in der Obernstraße.

Um die ganz verschiedenen Welten des Jünglings und des Mädchens zusammenzubringen, verlief die Anbahnung der Beziehungen zum anderen Geschlecht formalisiert und verzögert. Die wichtigste Etappe war der Tanzunterricht. Für Gymnasiasten war der Besuch einer Tanzschule so selbstverständlich wie heute in allen Schichten der Führerschein mit 18 und das Auto von den Eltern. Mädchen gingen ab der 9.Klasse in einen Anfängerkurs, Jungen ab der 10.Klasse. Im schützenden Rahmen der Tanzschule begegneten sich Jungen und Mädchen zum ersten Mal körperlich. Gesellschaftskleidung: Kleider für Mädchen, Jackett und Schlips für Jungen – und das „Sie“ sorgten für Abstand.

Den ersten Tanzkurs machte ich 1959 in der katholischen Tanzschule Thea Rumpf am Wall . Ich habe ihn undeutlich in Erinnerung, aber in sehr angenehmer. Das gilt vor allem für die sonntagnachmittäglichen Tanztees zur Musik kleiner Combos, stets mit näselndem Saxophon. Aus dieser Zeit datiert meine Vorliebe für dieses etwas sentimentale bis kitschige Instrument. Nie vergessen werde ich den sogenannten „Antrittsabend“, also den Abend vor dem Abtanzball, zu dem der Herr die Eltern der Dame aufsuchte. Meine hieß Ingrid P. und war natürlich auch katholisch. Sie wohnte in der Buddestraße, war blond, hübsch und nett. Es war ein unkompliziertes Verhältnis, ich mochte sie und sie mich.

An jenem Abend trabte ich in meinem neuen braunen Trevira-Anzug von Dyckhoff mit Blumen in der Hand an. Ingrid und ihre Mutter schauten fern, derweil der Vater mir im Nebenzimmer einige Stunden lang den indirekten Beschuss mit dem MG über einen Hügel hinweg erklärte, wortreich und mit Zeichnungen, bei Schnaps und Bier, von Mann zu Mann.

Ende 1960 hatte ich gerade mit meiner ersten Freundin Birgit H. „Schluß gemacht“. Sie ging zum Kippenberg-Gymnasium. Birgit war ein zauberhaftes Mädchen, zart, lieb und ladylike unauffällig. Das wusste ich nicht zu schätzen. Zu einem Tanzkurs, zu dem wir uns noch gemeinsam angemeldet hatten, ging jeder für sich. Dieser zweite Tanzkurs, ebenfalls für Anfänger, begann im Januar 1961. Auch Richard war mit von der Partie. Ort des Geschehens war die Tanzschule Schipfer-Hausa, eine Villa an der Contrescarpe, geleitet von den Damen Schipfer und Inge Hausa . Hierher kamen Schüler vom AG und vom HBG, die ansonsten verfeindet waren, auch die Schülerinnen von Kippenberg und von der Karlstraße, während die vom Leibnizplatz zu Dr. Hardau im Finke-Hochhaus und die Mädchen von der Kleinen Helle zu Eichentopf am Brill oder zum Haus des Tanzes des Ehepaars Klug in der Rembertistraße gingen.

Der Tanzkurs bei Schipfer-Hausa dauerte bis April 1961. Über meinem Bett hängt der schwache Abzug eines Gruppenfotos, das 34 Paare zeigt. Den Unterricht im großen Saal mit verspiegelten Wänden, Parkettfußboden und goldenen Leuchtern gaben die beiden Damen selbst. Frau Schipfer muss schon über 80 gewesen sein, Frau Inge Hausa so um die 50. Themen der ersten Stunde waren, für Damen und Herren getrennt, Körperpflege und der richtige Umgang der Geschlechter miteinander. Zwei Stunden Anstandsunterricht folgten, koedukativ: Wer stellt wen vor, wie schiebt der Herr der Dame den Stuhl unter; wer sitzt an wessen Seite im Theater oder Konzert; wer geht als erster die Treppe hinauf bzw. hinab; wie bugsiert der Herr die Dame durch eine Drehtür?

Ich führte das eine oder andere gerne mit Liesel B. vor. Sie war die Tochter aus einem Textilhaus am Buntentorsteinweg, das es heute noch gibt. Liesel kannte und begehrte ich vom Ruderclub Hansa her, in dem wir beide aktiv waren – auf dem Wasser, im Vereinsleben und bei Skifahrten in den Harz. Aber ich war für ihre Zukunft uninteressant und sie wies mich barsch ab. Sie war auch schon liiert, was selten war, vor allem aber war sie lieblos.

Auf dem Foto sieht man auch Regina ...

Ende des ersten Teils. Der Zweite erscheint in der nächsten Woche.