■ Das Diepgen des Tages
: Die rote Ampel

Wer kennt ihn nicht, diesen roten Kerl, der Tag und Nacht leuchtet, weithin sichtbar schon verkündend: Hier geht man nicht weiter, hier hat alles seine Ordnung. Die Ostler nennen ihn liebevoll Ampelmännchen. Das ist nicht nur einfältig, sondern auch ungerecht – und schon gar nicht auf der Höhe der Zeit, in der immer mehr Frauen Führungspositionen übernehmen sollen. Warum also heißen sie nicht Ampelfrauchen, zumindest die grünen? Die roten könnten ja Männchen bleiben, und die kleinen gelben Punkte an der Fahrradampel spiegeln schlicht die Sex'n Gender-Diskussion: Achtung, ich bin gar nix.

Schlimmer als all die Männchen oder Frauchen, die an jeder Ecke herumlungern, sind allerdings die einfachen Leuchten, auf denen nur die aktuelle Farbe zu sehen ist. Auch sie sind immer dann auf Rot, wenn man es am wenigsten brauchen kann. Wenn man zum Beispiel neben einem stinkenden Kleinlaster – Kennzeichen MOL, LDS oder PM – stehen muss, in dem jene unangenehmen, kurzhaarigen Maler- oder Maurergesellen sitzen, die tagsüber in „Kanakenbezirken“ wie Kreuzberg, Moabit oder Schöneberg ihr Geld verdienen und nachts den Ausländern in Strausberg, Fürstenwalde oder Babelsberg die Dönerbude anzünden.

Nervig auch, wenn man von weitem ein hoffnungsvolles Grün erblickt, vor sich hin träumt und bei dem wunderbaren Nachdenken-Im-Auto-Song von Funny van Dannen so schöne Stellen mitgrölt wie: „Wirklich, wir leben in komischen Zeiten, es heißt, es gibt keine Sicherheit mehr, und die Bank will Sicherheiten ...“ Wenn dann also, kaum dass man die Kreuzung erreicht hat, die Ampel auf Gelbrot springt – so eine Energie-Verschwendung, von 70 auf Null abzubremsen!

Da hilft nur eins: die grüne Welle. Zwar behauptete jüngst ein Berliner Verkehrsleitplaner, diese sei in der Großstadt eine Schimäre. Aber es gibt auch ein Gegenbeispiel: die Karl-Marx-Allee. Hier kann man vom Frankfurter Tor bis zum Alex durchfahren, ohne anzuhalten. Aber nur, wenn man 20 Stundenkilometer schneller fährt, als erlaubt. Honecker wusste, wie es voran ging in der Hauptstadt.

Die Zeiten sind leider vorbei. Heute stehen auf der Magistrale irgendwelche Laster und Kleinbusse in zweiter und dritter Reihe, weil erstens die Stalinbauten saniert werden und zweitens die Friedrichshainer ein Straßenfest feiern wollen.

So ist also rot an jeder Ecke – auch ohne Flaggen an den Bäumen.

Molly Blum