American Pie
: Alles wieder Brown

■ Nach drei langen Jahren ist Clevelands Football-Team endlich auferstanden

Bad news on the door step

Technisch gesehen sind die Cleveland Browns, die am Montag ihr erstes Saison-Vorbereitungsspiel gegen die Dallas Cowboys mit 20:17 gewannen, ein neues Team in der National Football League (NFL). Aber davon will niemand etwas wissen in der Stadt am Eriesee. „Wir haben eine Tradition“, sagt stolz Cheftrainer Chris Palmer, „das ist nicht wie Jacksonville oder Carolina.“

Die Tradition half den Browns indes wenig, als der damalige Besitzer Art Modell das Team, das in den Jahren zuvor wenig Geld und wenig sportlichen Erfolg gebracht hatte, 1996 kurzerhand nach Baltimore verpflanzte. In Cleveland herrschte darob helles Entsetzen. „Es war, als sei ein Familienmitglied ermordet worden“, sagt Carmen Policy, ehemals Boss der San Francisco 49ers und jetzt Präsident der neuen Browns. „Er hat uns das Herz rausgerissen“, schimpft Footballfan Bob Wilson über den verhassten Art Modell, der sich nach der Transaktion im Bundesstaat Ohio nicht mehr blicken lassen durfte.

Kaum eine Stadt ist so vom Football geprägt wie Cleveland. „Browns Town“ war ihr langjähriger Spitzname, und auch die boshafte Bezeichnung „Mistake on the Lake“ leitet sich nicht zuletzt von den Fehlleistungen des Footballteams ab, das niemals die seit 1967 ausgespielte Super Bowl erreichte, aber mehrmals auf mittlerweile legendäre Weise um Haaresbreite scheiterte. 1987 war es „The Drive“ von Denvers John Elway, der mit einem phänomenalen Spielzug über 98 Yards das Match entschied, 1988 „The Fumble“, als dem Spieler Ernest Byner, wieder gegen Denver, der Ball auf der gegnerischen Goal Line aus den Händen glitt – Niederlage statt Touchdown. In den neunziger Jahren ging es dann restlos bergab, und 1995 kursierte der Witz, die beste Art, den Umzug der Browns zu verhindern, wäre, eine Goal Line um Cleveland zu ziehen. Die könnten sie nie überqueren.

In den Anfangsjahren hatte das noch anders ausgesehen. Da dominierte das 1946 von Paul Brown gegründete Team die All-America Football League mit vier Titeln, ab 1950 erreichte es mit seinem großartigen Running Back Jim Brown zehnmal hintereinander das NFL-Finale und gewann vier Titel. Alles war Brown in Cleveland.

Als Art Modell den Umzug bekannt gab, flossen reichlich Tränen in der Stadt, doch bald wandelte sich die Trauer in Aktion. NFL-Commissioner Paul Tagliabue wurde mit Briefen und Faxen überschwemmt, die eine Auferstehung der Browns forderten, der Bürgermeister und einige Ex-Spieler gründeten die Initiative „Save Our Browns“. Die Kampagne zeigte Wirkung. Die NFL genehmigte Cleveland nicht nur ein neues Franchise, sondern das Team bekam auch den alten Namen und die Farben zurück. „Es ist Zeit, wieder orange und braun zu bluten“, sagt Cornerback Antonio Langham, der schon für die alten Browns spielte.

Das neue Team ist zunächst eine Art Filiale der San Francisco 49ers. Carmen Policy hat einen Teil seines alten Stabes mitgebracht, und zwölf ehemalige 49ers stehen im Team. Für eine glänzende sportliche Zukunft soll der junge Quarterback Tim Couch sorgen, die Nummer eins des letzten College-Drafts, der gegen Dallas sofort eine hervorragende Partie spielte.

Das Match gegen die Cowboys fand noch in Canton/Ohio statt, das erste Heimspiel im funkelnagelneuen, 72.000 Menschen fassenden Cleveland Browns Stadium, das schon für die gesamte Saison ausverkauft ist, steigt am Samstag gegen die Minnesota Vikings. Die Zuschauer, die ins Stadion strömen, kommen dann an einer Gedenktafel vorbei, die den Neubau „dem unbesiegbaren Geist der Browns-Fans“ widmet, „die sich mit Ausdauer und Beharrlichkeit weigerten, auf Wiedersehen zu sagen“. Oder wie es Jim „Big Dawg“ Thompson formuliert, bekanntestes Mitglied des „Dawg Pound“, einer Gruppe von Fans, die furchterregende Hundemasken tragen: „Wir haben gezeigt, dass Cleveland zusammenhält.“ Browns Town forever!

Matti Lieske