Famagusta hat keine Angst vor Sonnenfinsternis

■ Jürgen Röbers Herthaner ergreifen vor ihrem Champions League-Match lieber die Flucht, Michael Skibbes Dortmunder Borussen beten, aber beim großen Spektakel wollen sie alle, alle dabei sein

Berlin (taz) – Die Totalitätszone gräbt sich durchs ferne Süddeutschland, und wie so oft hat keiner die Berliner gefragt, ob sie mitmachen möchten. Was interessiert da die große Hertha die Sonnenfinsternis? „86 Prozent Verdunkelung sind lächerlich“, sagt Trainer Jürgen Röber. „Wer nicht 100 Prozent gibt, hat gegen Anorthosis Famagusta keine Chance.“

Heute abend (20.45 Uhr, ARD) hofft Zyperns Meister, in Berlin das Hinspiel der Qualifikation zur Champions League zu gewinnen. Europas Eliteklasse: Da winkt Renommee, da winkt Geld, klar, dass Röber deshalb die Mittagsnachtstunden vor dem Match nicht ignorieren kann. „In ganz Berlin sind keine Schutzbrillen mehr aufzutreiben“, klagt er finster.

Die 12.30-Uhr-Einheit verlegte er schon in die Katakomben des Olympiastadions – er bespricht die Taktik, während draußen der kalte Hauch heranweht, Ufos landen und die Menschen wahnsinnig werden. „Die Versicherung zahlt nicht, wenn ein Spieler erblindet“, sagt Röber. Gegner Famagusta wird derweil einfach nicht nach oben gucken. „Wir Zyprioten sind ein altes Kulturvolk“, sagt Präsident Konstantinou. „Wir sind an derlei Dinge gewöhnt.“

Besonders raffiniert widmet sich Herthas Weggefährte Borussia Dortmund dem Ereignis. Bei FK Teplice, dem tschechischen Vizemeister, erwartet das Ensemble von Trainer Michael Skibbe ein heißer Tanz. Pünktlich um 12.08 Uhr versammelt sich die Mannschaft im Strafraum rautenförmig zum archaischen Ritual: Alle raunen, stampfen, klatschen. „Das entspricht den neuesten psychologisch-motivationalen Erkenntnissen“, sagt Skibbe. „Wir nutzen Sofi als Kraftquelle.“ Fünf Ärzte sind beauftragt, danach Andreas Möller aufzumuntern.

„Ich werde dieses Spiel alleine entscheiden“, hat der gestern noch gesagt; nun, wir werden ja sehen (18 Uhr, ARD). Nur sechs Prozent der Tschechen rechnen übrigens für heute mit dem Weltuntergang; so schlimm kann es für Teplice also nicht werden.

Rüdiger Barth