Gottvertrauen und Angst vor Hautkrankheiten

■ Für islamische Gelehrte ist die Sonnenfinsternis ein Zeichen Allahs. Sie empfehlen spezielle Gebete. Doch viele gläubige Muslime fürchten eine bevorstehende Apokalypse

Kairo (taz) – Als Zeichen der Größe Gottes wollen die islamischen Rechtsgelehrten die heutige Sonnenfinsternis verstanden wissen. Überall in der muslimischen Welt rufen sie die Menschen heute zu einem speziellen kollektiven Sonnenfinsternis-Gebet auf. Der Prophet Muhammad soll einst selbst zu einem solchen aufgerufen haben. Statt wie sonst viermal knieen die sunnitischen Gläubigen bei diesem Gebet nur zweimal nieder. Die Schiiten rezitieren zu Sonnenfinsternissen, Erdbeben und anderen Naturereignissen ein besonderes Gebet, genannt „Der Horror“. Iranische schiitische Kleriker haben das Gebet für heute zur Pflicht erklärt.

Andere islamische Rechtsgelehrte sorgen sich um die Gesundheit der Gläubigen und erklärten in den letzten Tagen den Blick zur Sonne während der Finsternis für haram – islamisch verboten –, da er der Gesundheit des Menschen schade. Der jordanische Minister für religiöse Fragen empfiehlt, während der Finsternis immer wieder denNamen Gottes zu wiederholen. In vielen arabischen Ländern, wie in Jordanien, Syrien, und in den autonomen palästinensischen Gebieten wurde der heutige Tag zum Feiertag erklärt. Im Libanon bleiben die Geschäfte ab elf Uhr geschlosssen. Nachdem die ägyptischen Behörden die Angelegenheit zunächst völlig ignoriert hatten, begannen sie vor wenigen Tagen eine Fernsehkampagne, um die Menschen vor einem Blick in die Sonne zu warnen. Selbst die beliebten Vorabendserien wurden durch den Hinweis „der Gesundheitsminister warnt ...„ unterbrochen.

Doch die meisten Ägypter sind gegenüber solchen Ratschlägen skeptisch: „Sie sagen uns wieder einmal nicht die ganze Wahrheit“, erklärt eine verängstigte Kairoer Kindergärtnerin. Sie habe gehört, dass die Sonnenfinsternis Hautkrankheiten und Krebs auslösen könne. Ihre Mitarbeiter haben sicherheitshalber den Antrag gestellt, heute zu Hause bleiben zu dürfen. Der Pförtner des Kindergartens wiegte sich seit Tagen nur noch auf seinem Stuhl zum Gebet und redete vom bevorstehenden Weltuntergang.

Irak und Iran gehören geographisch zu den besten Standorten zur Beobachtung der Finsternis. Viele Finsternis-Touristen haben sich in der Islamischen Republik angemeldet. Prominentester Gast will der US-Amerikaner Neil Amstrong sein, der erste Mann auf dem Mond.

Auch der Irak will von der Finsternis profitieren. Die Führung in Bagdad hat die USA gebeten, heute die im Norden und Süden des Landes verhängten Flugverbotszonen aufzuheben, um für wenige Stunden „wissenschaftliche Flüge“ zu ermöglichen. Karim El-Gawhary