Stimmungswandel im Kosovo

Viele Albaner sind enttäuscht über die internationale Herrschaft. Zwischen der UN-Verwaltung und der UCK gibt es viele Konflikte  ■   Aus Pristina Erich Rathfelder

Standen noch vor wenigen Wochen die Menschen an den Straßen und winkten den internationalen KFOR-Truppen zu, so zeigt sich jetzt ein Stimmungswandel im Kosovo. Das Hochgefühl, durch die Aktion der Nato wieder in der Heimat leben zu können, schwindet angesichts der nun immer deutlicher werdenden Konflikte.

„Die Menschen sind natürlich immer noch dankbar für alles, was die Nato für sie getan hat, aber was die Franzosen machen, ist nicht akzeptabel“, ist eine der gängigen Meinungen. Das Verhalten der französischen Truppen in der Stadt Kosovska-Mitrovica, wo sich mehrfach aufgebrachte Albaner und Serben gegenüberstanden, wird als Unterstützung für die serbische Seite interpretiert und löst Empörung aus.

So konnte sich der Premierminister der kosovo-albanischen Übergangsregierung, Hashim Thaci, dem Beifall der Bevölkerung sicher sein, als er auf eine Journalistenbemerkung, die UÇK-Kommandeure hätten ihre Männer nicht im Griff, anspielend auf das Verhalten der Franzosen antwortete, auch das KFOR-Kommando hätte nicht die absolute Kontrolle über die eigenen Soldaten. In einer Pressekonferenz am Montagnachmittag erklärte der Premier, die Teilung der Stadt Kosovska-Mitrovica sei unakzeptabel.

Es gibt aber noch andere Reibungspunkte. Mehr noch als die Ereignisse in Kosovska-Mitrovica beschäftigt die Politik der UN-Mission für das Kosovo (UNMIK) die albanischen Politiker. Da die UN-Verwaltung bis vor kurzem mit dem Aufbau eigener Büros beschäftigt war, meldete sie sich erst diese Woche massiv zu Wort. Und ihre Sprecher ließen keinen Zweifel daran, dass die UN-Verwaltung die alleinige Herrschaft im Kosovo übernehmen würde. Grundlage für die Arbeit der UN-Mission sei die Resolution 1244 der UN-Generalversammlung. Darin sei festgehalten, dass es nur „eine Macht im Kosovo gibt, die der UNMIK“, erklärte der Sprecher der Administration, Dominique Vaillant, gegenüber der taz.

Diese Aussage kann als eine Kampfansage an die von der UÇK-geschaffenen Übergangsverwaltung im Kosovo gesehen werden. In allen Städten, Distrikten und Körperschaften des öffentlichen Lebens haben die Albaner versucht, eigene Verwaltungen aufzubauen. In manchen Städten wurden Präfekten und Bürgermeister von der UÇK eingesetzt. Dieser Schritt wurde damit begründet, dass das öffentliche Leben wieder in Gang gesetzt werden müsse.

Auch wenn sich die UÇK neuerdings öffentlich zurückhält, ihren Einfluss zu zeigen, es kann daran keinen Zweifel geben, dass sie die neue albanische Verwaltungsstruktur in der Hand hat. Ihre Kommandeure und politischen Führer entscheiden darüber, wer dieses oder jenes Café, diese oder jene Tankstelle, betreiben darf – oftmals sollen dabei auch größere Summen über den Tisch geschoben werden. Ganze Gebäude und Wohnungen wurden von der UÇK konfisziert. Die UÇK versuchte, eine Polizei und ein Justizsystem aufzubauen und einige Medien in den Griff zu bekommen.

Unabhängig davon aber tat sich auch etwas in den Betrieben. Betriebsversammlungen von 1992 von den Serben entlassenen Arbeitern wählten sich in den großen Firmen Direktoren und begannen mit der Arbeit. Insgesamt gelang es, eine gewisse Normalisierung des Lebens durchzusetzen.

Da jetzt aber die UN-Mission funktionsfähig ist, beginnen die Reibereien. Zugespitzt stellen sie sich in der Frage des Eigentums an Produktionsmitteln, der des Rechtssystems, der Polizei und der Hoheitsrechte, im Mediensektor wie in anderen Bereichen. Bernard Kouchner, der Vertreter des UN-Generalsekretärs im Kosovo und damit der internationale Administrator, versucht mit einem Konsultationsrat, in dem sich Vertreter der unterschiedlichen albanischen Parteien wie auch jener der Minderheiten befinden, die Politik der UNMIK in der Gesellschaft akzeptabel zu machen.

Ob dies gelingen wird, ist jedoch fraglich. Denn schon die Zusammensetzung des Gremiums gab Anlass zur Kritik. Nicht nur, dass die Partei von Ibrahim Rugova, die Demokratische Liga des Kosova, sich unterrepräsentiert fühlt, sondern auch, dass die Minderheiten der Serben, Roma, „Ägypter“ und Türken überrepräsentiert sind, schafft bei den Albanern böses Blut. Das Gremium ist bisher noch kein einziges Mal zusammengetreten. Dass Kouchner zudem zu Beginn seiner Tätigkeit verkündete, im Kosovo solle das geltende serbische Recht gültig sein, hat die Proteste über die UÇK hinaus anschwellen lassen.

So empörte sich Bujar Bukoshi, der in das Kosovo zurückgekehrte Premierminister der ehemaligen Exilregierung unter Rugova, die UNO könne nicht das Rechtssystem Slobodan Miloševics akzeptieren. Die serbischen Gesetze enthielten gegenüber Albanern viele diskriminierende Bestimmungen. Auch die Tageszeitungen Bota Sot und Koha Ditore zeigten sich entsetzt von so viel Unverstand Kouchners. Mit dieser Haltung würde das den Albanern aufgezwungene Apartheitsystem legitimiert. Dass zudem serbische Richter, die bis zum 24. März dieses Jahres im Amt waren und Teil des Unterdrückungssystems darstellten, von der UN-Mission wieder eingesetzt wurden, schürt die Empörung zusätzlich.

Auch in Bezug auf das Staatseigentum zeigen sich die ersten Spannungen. Die öffentlichen Gebäude und Staatsfirmen gehörten der Republik Kosovo und nicht Serbien, erklären die Albaner. Wenn schon das serbische Rechtssystem weiter gelten soll, dann müssten die rechtlichen Regelungen von vor 1989, vor der Abschaffung des Autonomiestatutes gelten, nicht aber jene danach.

Politische Gegner der UÇK begrüßen zwar, dass deren Macht eingeschränkt wird, sehen aber mit Misstrauen, dass die UN-Administration schon jetzt versucht, das Land in den serbischen Staat zurückzuführen. Der Druck von Seiten der albanischen Bevölkerung auf die serbische Minderheit würde nur noch verstärkt, wenn die Albaner befürchten müssen, wieder unter serbische Herrschaft zu gelangen.

„Die Politik, Kosovo in Serbien zu halten, kann nicht gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden,“ sagt auch der Gegner der UÇK, Bujar Bukoshi. Er befürchtet, die Politik der UNMIK werde die UÇK-Politiker als die Verteidiger der Rechte der Albaner erscheinen lassen und somit ihre Position für die künftigen Wahlen stärken.