Lust auf Luxus

■ Die symphonischen Prog-Rock-Monster von Godspeed You Black Emperor!

Da dronen sie wieder, die mit dem Ausrufezeichen. Für alle, die jetzt erst zuschalten, hier nochmal die zentralen Verkaufsargumente: Godspeed You Black Emperor! kommen aus Kanada! Ihre Stücke unterschreiten nie die zehn Minuten-Grenze, während ihre Besetzung die gleiche Zahl in Personen erreicht! Und da wird es wirklich interessant. Wer plagt sich in Zeiten von allgemein zugänglichem elektronischem Schichtenbau noch mit solch sozial aufwendigen Konstrukten? Und Warum? Ohne in haltlose Interpretationen zu verfallen, liegt die Antwort doch auf der Hand: Freude des Miteinanders, Aufgehen und körperliches Erleben in einem großen Ganzen.

Womit auch schon das im Sinne der Rezeption problematische Moment thematisiert wäre. GYBE! (wollen) überwältigen, ästhetisieren mit mehreren Gitarren und allen verfügbaren Streichinstrumenten das Prinzip von „Rock goes Klassik“ (nicht umgekehrt). Dabei schaffen sie durch ihre mäandernden, an- und abschwellenden (Dis-) Harmonien ein ähnlich monumental-religiöses Klanggebilde, wie es Arvo Pärt aus der Klassik- und Glenn Branca aus der Rock-Tradition hergeleitet haben.

Als das interessanteste Moment erweist sich die Kontextualisierung. So, wie die ähnlich dimensionierten orchestralen Entwürfe von Sequencer-Produzenten wie 4 Hero oder Carl Craig die elektronische Gemeinde zu (unangemessen) erfürchtigem Munkeln veranlasst, wird auch die geschichtete Kunst von GYBE! als im wahrsten Sinne unerhört missverstanden – was die Lust auf Luxus und Opulenz natürlich unterfüttert. Und mächtig ist er, dieser Strudel, mächtig im Sinne von Macht. Das Gegenteil einer betont kleinteiligen, strukturkritischen Klangarbeit von z.B. Mouse on Mars oder Oval: ein dynamischer, aber beständig zum himmlischen oder höllischen Tutti drängender Klangkörper, in dem der Einzelne verschwindet.

Zu allem konsequenten Überfluss werden diese symphonischen Prog-Monstren noch mit bewegten Bildern visualisiert. Da spätestens manifestiert sich, dass das, was für die Spielenden garantiert emphatisch, vielleicht sogar katharsisch-befreiend wirkt, sich nicht zwangsläufig ins Publikum übersetzen muss, sondern für einen um seine Autonomie bedachten Geist auch das unangenehme Gefühl hinterlassen könnte, mit vielen sich bestens ergänzenden Brechstangen manipuliert zu werden. Holger in't Veld

Do, 12. August, 21 Uhr, Schlachthof