Kurzgeschlossenene Tonteckniker

■ Van Gogh's ear for music: Das Geräuschduo Kiss Kiss Bang Bang aus dem Herzhorner Verein für musizierende Junggesellen

Das Experiment. Auf einem Plattenteller liegt „Halleluwah“ von der immer wieder zu entdeckenden Kölner Formation Can und verströmt tribalen Charme. Es bedarf einer kleinen Geschwindigkeitsregulie-rung und während der Crossfader zur anderen Seite gleitet, wo sich in unserer kleinen Versuchsanordnung die Platte Atomic Jokes mit dem Track „It's 'That' Land Again“ dreht, füllt das Duo aus Hamburg/Herzhorn, Kiss Kiss Bang Bang, dieselben Can-Takte mit neuem Sinn.

Rückhaltlos möchte der Crossfader ausrufen: In jedem Detail eröffnet sich hier ein Bild, das illustrativer als alle Reader, die diversen Facetten von 30 Jahren deutschem Underground und 10 Jahren Tekkkno zeigt. Aber Fader können nichts ausrufen – und deswegen muss Kiss Kiss oder Bang Bang, auf jeden Fall der eine von beiden, anrufen, um zu fragen, ob es noch Fragen gäbe. I wo denn, alles unklar. Und so solls doch wohl sein.

Versuch einer Auswertung. Neben dem offensichtlichen Original-Sample liefert die Ausgangsreferenz Can diverse Möglichkeiten zur Reflexion über deutsche Musik und deutsche Elektronik, oder über die Tragfähigkeit repetititiver Strukturen und die Rolle der Geräusche als Indikativ. Sie kann aber auch dazu dienen, das Tempo zu verschleppen ...

Seit '94 dient das Alias des alten 007-Kontrahenten (Mr.) Kiss Kiss Bang Bang, dem Geräuschmusiker Gavin Schalkalwis und seinem Partner Fredrik Nedelmann als Name für ihre gemeinsames Projekt. Parallel zu ihren Hausformationen Hammafest und Idee des Nordens arbeiten sie zusammen an der „Schnittstelle“ Indie (Geist) und Electronics (Materie). Mit derselben Idiotie, die ein Begriff wie Post-Rock mit sich bringt, könnten KKBB auch als Post-Techno belobsudelt werden. Dann würden sie so clever verweisend und kommentierend, zerhackend und kombinierend rüberkommen, so post-modern-mäsig gesehen, gemacht und gehört (Arrgh!). Das will ja keiner.

Und weil auch noch so große Worte keine Musik machen können, lassen wir Fakten sprechen: Ihre bisher einzige Veröffentlichung Atomic Jokes erschien im Frühjahr als EP bei dem verdienten Hamburger Label für experimentellen Techno, Otaku. Zwei der vier Tracks finden sich auf der Storage-Compilation wieder, denn die beiden Musiker sind umtriebige Aktivisten der beachtenswerten Herzhorner Vereinigung für musizierende Junggesellen, brotbackende Selbstversorger und kurzgeschlossene Tontechniker, Stora.

Live waren KKBB bisher nur bei „Secret Evenings“ sowie anlässlich einer legendären sinus/Otaku-Party in der Roten Flora zu erleben. In ihrer Freizeit tragen KKBB via DJ-Sets den Stora-Sound in jede zweite Club-Kneipe Hamburgs. Heute Abend werden sie neu eingekleidet und tödlich chic die Bar du Sol rocken, tekken, verstrahlen. Da soll die Party sein. Da wird auch der gute Reznicek sein Pseudonym DJ Bambij Robot aktivieren und einen bunten Mix aus Tschechen-Disco und Leipziger Allerlei zu Gehör bringen. Ihr und unser Spaß findet sich zwangsläufig daran und darin.

Lars Brinkmann

mit DJ Bambij Robot: Do, 12. August, 22 Uhr, Bar du Sol