Von Marx zum Mikrochip

■ „Nicht für, nicht gegen, sondern außerhalb der DDR“: Die Subversive Kamera beleuchtet die Arbeitsbedingungen der Super8-Filmszene in der ehemaligen DDR

„Auch aus Langeweile haben wir Filme gemacht“, sagt ein Filmemacher aus der ehemaligen DDR. „Man saß ja immer auf gepackten Koffern und wartete auf die Ausreisegenehmigung.“ Politik und Kunst - ein odd couple in der Ex-DDR: Der Ost-Film wurde stets unter dem Aspekt der „Filmkunst“ diskutiert, doch hinter diesem Vorwand verbarg sich im Grunde nur die politische Zensur. Der DDR-Film sollte vor allem lehrreich sein.

In den 70er Jahren etablierte sich bei den Kulturapparatschicks die Vorstellung, der Film besitze Massenwirksamkeit und könne direkt auf die Bildung und Erziehung sozialistischer Persönlichkeiten hinwirken. Unter dem fragwürdigen Schlagwort der „Wirksamkeit“ produzierte die DEFA Spielfilme mit einer starken didaktischen Ausrichtung. Der gute sozialistische Mensch wurde den Zuschauern gezeigt, und diese rannten in Scharen davon. Die DEFA besaß das Filmmonopol, die StaSi das Video-Equipment. Wer trotzdem unabhängige Filme drehen wollte, mußte sich einem der staatlichen Amateurfilm-Zirkel anschließen, wenn er vermeiden wollte, von der StaSi behelligt zu werden, Mit russischen Kameras und Super-8- Material arbeiteten hier meist „Familienfilmer“, die ihren Urlaub am Schwarzen Meer oder die ersten Gehversuche der Kinder filmten. Leute also, die nicht ohne weiteres als avantgardistische Experimentalfilmer bezeichnet werden können.

Die gab es in der DDR allerdings auch – und sie arbeiteten unter erschwerten Bedingungen. Denn wer nicht bereit war, sich einem dieser Zirkel anzuschließen, stand automatisch außerhalb der Strukturen. Zwar wurde niemand sofort zum Staatsfeind erklärt, doch die Filmer musste damit rechnen, dass die StaSi sich Kopien der Bänder verschaffte, die sie ins Kopierwerk brachten. Zudem war es nötig, eine staatliche Abspielzulassung einzuholen, wenn man seine Film öffentlich vorführen wollte. Unter dem Vorwand der Filmkunst beurteilten staatliche Kommissionen die politischen Inhalte und erteilten Aufführungsgenehmigunge - oder eben nicht. So stieß die Zensur, laut Die subversive Kamera, auch in die Super8- Szene vor.

Die Doku von Cornelia Klauß von 1997, die im Rahmen eines Abends zur Geschichte der DDR im Jazzcafé Blue Note gezeigt wird, läßt einige ehemalige Filmemacher aus der DDR zu Wort kommen. Sie erzählen von ihren Arbeitsbedingungen, den staatlichen Repressionen und von ihren StaSi-Akten. Deutlich wird dabei vor allem: Vielen der DDR-Experimentalfilmer ging es gar nicht darum, Gesetze zu übertreten, sondern lediglich darum, aus einem künstlerischen Selbstverständnis heraus zu handeln: „Wir waren nich für, nicht gegen, sondern außerhalb der DDR.“

Unter dem Motto „Die Deutsche Demokratische Republik grüßt die Jugend der Welt“ soll laut der Veranstalter im Blue Note „kontrovers und konstruktiv“ diskutiert werden. Da die Diskussion weder von „Verklärung noch von Ressentiments“ bestimmt werden soll, wird es noch Die alte neue Welt - eine filmische Weltbetrachtung von Annelie und Andrew Thorndike. Teils in spärlichem Zeichentrick, teils reportagehaft, in jedem Fall mit grandioser Ost-Ästhetik beschreibt der Film die Geschichte der Menschheit aus marxistischer Sicht. Vom Urknall bis zum elektronischen Minibaustein.

Meike Fries

Sa, 14. Augugst, 20 Uhr, Blue Note, Telemannstraße 21