Bremer Juristen schneiden schlecht ab

■ Im Vergleich mit Hamburg und Schleswig-Holstein fallen rund doppelt so viele Bremer Juristen beim zweiten Staatsexamen durch / Arbeitsgruppe soll sich im Herbst des Problems annehmen

Bremens Justizsenator Henning Scherf (SPD) hat ein Problem: Im Ländervergleich mit Hamburg und Schleswig-Holstein schneiden in Bremen ausgebildete Juristen beim zweiten Staatsexamen regelmäßig schlechter ab. Nicht nur ein biss-chen. Bis zu doppelt so hoch sind die Durchfallquoten, warnte jüngst der Präsident des Bremer Oberlandesgerichts, Jörg Bewersdorf in einer internen Sitzung mit 30 Bremer Prüfern. Auch in einer Veröffentlichung 1998 hatte Bewersdorf bereits auf die dramatisch schlechten Prüfungsergebnisse des Bremer juristischen Nachwuchses hingewiesen. Geschehen ist bislang nichts. Nun soll im Herbst eine Arbeitsgruppe für Abhilfe sorgen.

Beim ersten Staatsexamen liegen die Bremer noch im bundesdurchschnittlichen Mittelfeld. Doch nach dem Referendariat, im zweiten Staatsexamen, steigt die Durchfallquote der durchschnittlich 75 Bremer Prüflinge pro Jahr rasant an. Letztes Jahr fielen bei der gemeinsamen Prüfung der Bundesländer Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein insgesamt 10,6 Prozent der JuristInnen durch. Auf die Bundesländer heruntergerechnet, kam Hamburg auf 8,7 und Schleswig-Holstein auf 10,6 Prozent – gegenüber 23,8 Prozent für die Bremer. Im Jahr davor hatten die Bremer eine Durchfallquote von 18,1 Prozent – die beiden anderen Bundesländer lagen um die zehn Prozent. Die Bremer Juristenausbildung – mangelhaft?

Gründe für das schlechte Abschneiden kann das Justizressort noch nicht bieten. Aber der Senator „will natürlich, dass sich das ändert“, sagt Scherf-Sprecherin Lisa Lutzebäck. An der Universität hat man sich längst Gedanken gemacht – und sieht inzwischen das Problem darin, dass die rund 1.500 Hauptfach-Studierenden in Bremen nicht angemessen auf das erste Staats-examen vorbereitet werden. Die Nachteile gegenüber anderen Prüflingen können angehende JuristInnen offenbar im Bremer Referendariat nicht mehr aufholen. Grund für die Vermutung: Ein Vergleich unter den Bremer Prüflingen. Und der brachte zu Tage: Referendare, die von auswärts nach Bremen kommen, schneiden erheblich besser ab, als jene, die in Bremen begonnen haben.

In den verschiedenen Uni-Rankings hatte sich der Ruf der Bremer JuristInnen gerade zu bessern begonnen. 1997 noch kam die Bremer Juristen-Ausbildung im „Focus“ schlecht weg: Die Bremer Fakultät landete auf dem neununddreißigsten Platz – von insgesamt vierzig. In der Ranking-Liste des „Spiegels“ im April 1999 nahmen die Bremer Juristen immerhin einen passablen zwölften Platz ein, auch wenn die Bremer Juristen in der subjektiven Bewertung von Professoren die Negativliste anführten. Der „Stern“ allerdings bewertete im Juni die Bremer im Mittelfeld und stellte gute Noten für das Verhältnis zwischen Studenten und Professoren aus.

In der rechtswissenschaftlichen Fakultät ist nun ein Streit entbrannt, wie man die Bremer fit macht für die Staatsexamen. „Die Lager sind gespalten“, sagt ein Professor. Die einen plädieren für die zügige Einführung eines „Klausurenexamens“ – eine stärkere Verschulung des Studiengangs vor dem ersten Staatsexamen. Denn das Problem liege darin, dass nicht gut auf die Situation des Klausuren-Schreibens im zweiten Staatsexamen vorbereitet werde.

Die andere Fraktion möchte die Errungenschaften des Bremer „Hausarbeitsexamens“ behalten, wonach Hausarbeiten im ersten Studienabschnitt rund ein Drittel der Bewertung ausmachen. Der Bremer Weg fördere eigenständiges Denken, wird argumentiert.

An der Arbeitsgruppe, die nach der Sommerpause zusammentritt, um das schlechte Abschneiden der Bremer zu prüfen, sollen alle relevanten Gruppen beteiligt werden: Rechtsanwaltskammer, Uni-Fakultät, der Oberlandesgerichts-Präsident, Justizressort und Ausbildungs-Personalrat. Dass die Gruppe tatsächlich bald Ergebnisse vorlegen kann, wird bezweifelt. Vielleicht wird auch auf biologische Selektion gesetzt: Von den derzeit zwei Dutzend Lehrenden an der rechtswissenschaftlichen Fakultät wird ein Großteil bald in den Ruhestand gehen, ein Drittel der Stellen soll abgebaut werden. Der Bremer Sonderweg der Uni-Gründergeneration könnte sich dann von selbst erledigen. Christoph Dowe