Coming-out interkulturell

■ Zentrum für lesbische und schwule MigrantInnen in Kreuzberg eröffnet

Seinen Döner bestellt Ismail Güleryüz immer in akzentfreiem Deutsch, weil er befürchtet, als türkischer Schwuler mit einem blöden Spruch konfrontiert zu werden. Bis ihn kürzlich ein Döner-Verkäufer auf Türkisch anmachte, warum er seinen Döner auf Deutsch bestelle. Seitdem bestellt der 35-Jährige den Drehspieß in seiner Muttersprache. Die Anekdote illustriert, dass türkische Lesben und Schwule zwischen allen Stühlen sitzen. Ein Coming-out in der türkischen Community bedeutet häufig den Bruch mit der eigenen Familie.

Rat und Hilfe finden jugendliche MigrantInnen künftig in der Katzbachstraße 5, in den Ladenräumen des Projektes Miles & More. Das vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) Anfang August eröffnete Zentrum soll auch zum Treffpunkt bestehender und neuer Homo-Gruppen werden. Ismail Güleryüz will hier eine türkische Schwulengruppe ins Leben rufen. Sein Anliegen ist, einen Bewusstseinsprozeß in der türkischen Community in Gang zu setzen, in der Homosexualität überwiegend auf Ablehnung stößt. „Was die Gruppe macht, hängt aber von den Leuten selbst ab“, sagt Güleryüz, der sich auch in der „Schwulen Internationalen“ engagiert. Interesse, die Räume zu nutzen, hat auch ein Stammtisch von schwulen russischen Übersiedlern. Kontakte zu weiteren Gruppen wie dem asiatischen Long-Yang-Club werden derzeit geknüpft.

Auch eine bereits bestehende

Gruppe binationaler, gleichgeschlechtlicher Paare nutzt die Ladenräume. „Unser Ansatz ist im Prinzip interkulturell“, sagt Alexander Zinn, der Berliner Sprecher des LSVD. Zielgruppe sind nicht-deutsche und deutsche Lesben und Schwule, aber auch MigrantInnen, die sich nicht als lesbisch oder schwul definieren. Die Arbeit wird überwiegend ehrenamtlich geleistet, bislang engagieren sich vor allem Schwule.

Einzige Ausnahme: eine chilenische Lesbe möchte eine internationale Lesbengruppe aufbauen. Die Zielgruppe jugendlicher, homosexueller MigrantInnen schätzt LSVD-Sprecher Zinn allein in Kreuzberg auf rund 700 Personen. Öffentlich gefördert wird das Projekt bislang nicht. Dorothee Winden