Die ganze Community

■ Ex-Verkehrsminister Wissmann ist Anwalt geworden – bei der weltgrößten Luftverkehrs-Consulting. Berliner Grüne sehen Interessenkonflikte beim Bau des Hauptstadt-Airports

Berlin (taz) – Der Mann aus dem Schwäbischen galt als einer der Stars im Kohl-Kabinett. Matthias Wissmann (CDU) reüssierte 1993 als Forschungsminister, später löste er Skandal-Krause als Verkehrsminister ab. Ein Ressort, in dem viel Zukunftsarbeit zu leisten war: Privatsierung der Bahn, neuer Verkehrswegeplan – und der Neubau des Hauptstadt-Airports in Schönefeld.

Auch Wissmanns heutiger Arbeitgeber, die Washingtoner Anwaltssozietät Wilmer, Cutler & Pickering (WCP), kennt die Flughafen-Saga ganz gut: Die weltweit führende Luftverkehrs-Consulting ist als juristischer Vorarbeiter mit von der Partie. „Wir beraten die ganze Luftverkehrs-Community“, sagt WCP-Anwalt Martin Seifert: Airlines, Flugzeugbauer, Regierungen. Ein neuer Fall von Interessenverquickung Marke Minister wird Lobbyist? Ist Wissmann der Bangemann auf nationaler Ebene?

Michael Cramer, bündnisgrüner Abgeordneter in Berlin, meint: ja. „Wissmann hat Insiderkenntnisse, die er für den weltgrößten Verkehrslobbyisten gut einsetzen kann“, sagt der Abgeordnete. Cramer, der als Berlins Bestinformierter in Sachen Verkehr gilt, sieht auch im konkreten Fall Schönefeld Interessenkonflikte. Der sechs bis acht Milliarden Mark teure Flughafen muss neu ausgeschrieben werden, weil bei der Erstvergabe an das Konsortium Hochtief nicht alles mit rechten Dingen zuging. Da könne Wissmanns Wissen noch Gold wert sein.

Die Washingtoner Anwälte Wilmer und andere wiegeln ab. „Wir versichern, Herr Wissmann hat nichts mit dem Flughafenfall zu tun“, beschwört Seifert vom Berliner Sitz der Sozietät, an dem der Ex-Minister seine Brötchen verdient. Wissmann sei mit Firmenfusionen befasst – aber nicht mit dem Flughafen. Warum man Wissmann eingekauft habe? Weil es, erläutert Seifert, in den USA üblich sei, die „besten der jungen und einflussreichen Kabinettsmitglieder“ zu holen.

Als Kommissar Bangemann in Brüssel flott die Seiten wechselte, gab es juristisch nichts einzuwenden. Die EU bittet Ex-Minister, sich „ehrenhaft und zurückhaltend“ zu geben. Hierzulande gibt es nichts Vergleichbares. Das Ministergesetz kennt eine Geheimhaltungspflicht: Über Dienstliches sei auch nach dem Ausscheiden „Verschweigenheit zu bewahren“. Die wirksamsten Lobbyisten sind eben die Stillen. Christian Füller