■ UrDrüs wahre Kolumne
: Minus im Karma

„Billisch, billisch, billisch“ – das ist offenbar das einzig Positive, was dieser Flohmarkthändler am Weser-ufer über seine Ware sagen kann, und so schreit er diese Parole gen Himmel. Den sensiblen Ohren eines auf Bilderbuch-Anthroposophen getrimmten Verkäufers von Blockflöten, Kastagnetten und anderen Präzisionsinstrumenten der akustischen Feinmechanik gefällt die Werbetechnik seines Mitbewerbers überhaupt nicht und so fragt er zaghaft: „Geht das nicht ein bisschen leiser?“ Um trotz dieses Ansinnens seine prinzipiell freundliche Haltung zu untermauern, fügt er bei der Wiederholung ein anbiederisch klingendes Kumpel dazu. „Gäht nicht. Gäht leider nicht. Junger Mann. Muss verkaufen. Viel verkaufen“, antwortet der Kollege und setzt seine lärmende Kampagne fort. Noch gibt der Musikalien-Fachmann nicht auf und zieht die letzte Trumpfkarte! „Weißt du, was mir an Leuten wie dir nicht gefällt? Sie fördern Ausländerfeindlichkeit“, bringt er im wohlüberlegten Kalkül hervor, doch dringen auch die Vorhaltungen nicht durch: „Muss verkaufen. Billisch. Billisch. Alles eine Mark.“ Ach gäbe es sie doch, die alternative deutsch-ausländische Handelskammer, die diesen Konflikt hätte lösen können. So aber zischt der Blockflöten-Mann nun frei von jeder Gutmenschlichkeit „Blöder Kanacke“ und hat so gleich ein paar karmische Minuspunkte fürs nächstes Leben ...

Kann es denn wahr sein, dass die Chaostage zu Hannover auch heuer wieder ausfallen und nicht einmal schnorrende Schottenrockträger im Nachbarstädtchen Bremen ein Alternativprogramm anbieten? Der nächste Punk, der euch um eine Mark angeht, soll sich erstmal zum Vorwurf verhalten, dass die hiesigen Bunten ganz schöne Lahmärsche geworden sind, deren Weltbild offenbar stimmt, solange es im Sonderpostenmarkt Halbliterdosen für schlichte fuffzig Pfennig gibt. Und wenn alles nichts hilft, müssen wir Alten uns demnäxt mal wieder mit dem teuer gewordenen Wochenendticket in militanten Fünferbanden auf den Weg machen, um wenigstens ein bisschen Chaos in Eystrup oder Hude zu stiften: Dazu soll's wohl noch reichen!

Jens Eckhoff goes online. Welchen Job wird die nicht mehr ganz so jugendfrische Waller Handballdame denn wohl in der Hightech-Boomtown Hollerland übernehmen? Totengräber auf dem Tamagotchi-Friedhof mit einprogrammierter Hall of Fame? Ligachef der Global Village Players, Buchmacher beim virtuellen Derby um den Titel „Gallopper des Jahres“ oder Bordellier im Cybersex-Club „Black & Horny“? Wie auch immer, was auch immer: Pleiten begleiten seinen Weg, nicht nur beim TuS Walle. Irgendwann wird auch darüber wieder Gras wachsen, bis die lila Kuh das zarte Gras wegfrisst und den nackten Wonnepöter freilegt. An dem Tag gibt Ronald-Mike Neumeyer eine Runde Beck's aus und stellt sie mit hämischem Grinsen dem Sanitätsgefreiten Neumann in Rechnung!

Wie die Amateure des SV Werder im DFB-Pokalwettbewerb die Jungs des vergleichsweise großen Geldes von Fortuna Köln rundgemacht und 3:1 geschlagen haben – das zeugt von jenem Geist, der eben auch in Bremen lebt und nicht einmal von hosenklammertragenden Weicheiern und dahergelaufenen Perschaus zerstört werden kann. Hier sind sie zu sehen, die Wurzeln der Bremer Räterepublik. Die Helden der Straßenbahn-Unruhen und erst recht die Lichtgestalten, die im Weserstadion anno dunnemals pfeifend und johlend den Ungeist des Militarismus abstraften. Einem solchen Team würde man nur allzu gerne die Wilhelm-Kaisen-Plakette oder das Ehrenbanner Otilie Hoffmann verleihen. NUN IST ER GANZ DURCHGEKNALLT, mault just an dieser Stelle ein bierchen-trinkender Gewohnheitsleser dieser Zeilen. Recht hat er! Zeit, eine Runde Urlaub im tiefen Böhmen einzulegen, was bekanntlich am Meer liegt und voller kalorienarmer Schweinsbraten steckt.

Zurück in zwei Wochen meldet sich ziemlich sicherlich

Ulrich „Schwejk“ Reineking