Postapocalypse now

Hoffnung auf eine neue und bessere Welt: Die kanadische Instrumental-Band Godspeed You Black Emperor! entfachte einen langsamen, weitschweifigen und gut klingenden Riot im Pfefferberg  ■   Von Gerrit Bartels

Die abschließenden Superlative für Godspeed You Black Emperor! fand Ende Juli einmal mehr der englische New Musical Express: Apocalypse now, apocalypse wow! The Last Great Band Of The Century! The band who ride with the four horsemen at the end of the world! Ein paar Nummern kleiner hatte es sich aber auch schon in den letzten Monaten hie und da rumgesprochen, dass die zehn kanadischen Musiker mit mehreren Gitarren, Schlagzeugen, Streichern und Bässen recht Ungewöhnliches fabrizieren würden: tolle Soundscapes und Stimmungsbilder, ewig lange Songs, intelligenten Bombastrock, Musik, die auf dem eigentlich nicht so schmalen Grat von Postrock, Ambient und Industrial entlangspaziert.

Ein kleiner Hype also, insbesondere für die, die in ihren Indierock- und Postrock-Eckchen ein Mauerblümchendasein führen, und der von den wenigen, die die Band vor Jahresfrist schon im Maria sahen, immer wieder gern bestätigt wurde.

Von einem Anschwellen des Hypes aber, gar von großen, kollektiven Endzeitstimmungen ist beim zweiten Berliner Auftritt von Godspeed You Black Emperor! im Pfefferberg wenig zu spüren.

Die vielen Leute, die im Garten des Pfefferbergs sitzen und Bier und Martini trinken, scheinen in der Tat nur der Getränkezufuhr wegen gekommen zu sein, vielleicht aber auch, um sich von den Klängen der dort aufspielenden Latin-Jazz-Combo eine zusätzlich heiter-beschwingte Bettschwere besorgen zu lassen. Und die, die wegen der Kanadier gekommen sind, betreten dann auch eher zögerlich den Konzertsaal des Pfefferbergs: Nicht weil sie Angst vor der drohenden Apokalypse haben, sondern vielmehr, weil das zwanglose Draußensitzen nicht unschön ist und der Auftritt von Godspeed You Black Emperor! wahrscheinlich einiges an Konzentration, Andacht und Einkehr abverlangen wird. Der eher uninspirierte Gig einer Vorband lässt noch Zeit für ein Schwätzchen, dann aber freut man sich doch auf die acht, neun oder zehn Godspeed-Musiker – so genau lässt sich das nicht zählen –, die nach und nach die Bühne betreten (immerhin sind auch zwei Frauen dabei, wenn auch, wie oft in Rockbands üblich, an den Streichern), sich auf ihre Stühle setzen und sacht und leise das Intro zum ersten Stück spielen. Das Wörtchen „Hope“ flimmert dem Publikum auf einer Leinwand entgegen, und schneller als erwartet baut sich der Song zu einem lauten und schönen und mächtigen auf. Geredet wird auf der Bühne nicht, keiner der Band wendet sich ans Publikum, und gemächlich entwickeln die in sich gekehrten und unspektakulär aussehenden Musiker in den folgenden zwei Stunden Sounds und Stimmungen. In guten Momenten erinnern die Songs in ihrer Zähigkeit und Langsamkeit, in ihrer stetigen dramaturgischen Entwicklung an die Melvins und deren Album „Lysol“, in noch besseren an Soundtracks zu Italo-Western (Ennio Morricone, nun ja). In schlechten Momenten aber weiß man beim Hören nichts mit sich und seinen Gedanken und Gefühlen anzufangen.

Da steht man dann rum und wundert sich, spricht über Dead Can Dance, gedenkt Bands wie den Butthole Surfers oder Neurosis, die wie die Kanadier auch oft Filme mit Verkehrsunfallszenarien oder kaputten postindustrialisierten Landschaften bei ihren Live-Shows laufen lassen, und merkt, dass alles, was Godspeed You Black Emperor! da machen, eigentlich sehr berechenbar und durchsichtig ist.

Mit Breaks oder Rhythmuswechseln wollen sie ihr Publikum nicht verstören, das, was sie an Sounds und Melodiebögen aufbauen, wollen sie in keinem Fall wieder zerstören, der Wohlklang siegt über alle Untergangsstimmung. Was aber eigentlich auch ganz okay geht und in einem gelungenen Widerspruch zu den sonst auf Covern, Song- und Albumtiteln („Slow Riot For New Zero Canada“) und Interviews (die sie nur sporadisch geben) gesporteten Issues und Politstatements steht.

Die Welt ist schlecht und kaputt, wir ziehen uns zurück und bauen uns eine bessere neue. Vielleicht ist es das, was Godspeed You Black Emperor! mit Hoffnung meinen. Solcherart gestärkt, dürfte sich zumindest für die Freunde von Rockmusik das neue Jahrtausend ganz gut anlassen.