Kinder und Arbeiter grüßen herzlich mit Girlanden

■ In Pjöngjang spielen Gewerkschafter aus Nord- und Süd-Korea zusammen Fußball

Berlin (taz) – „Kinder und Arbeiter begrüßten die Mannschaft herzlich, überreichten ihr Blumen und hängten Girlanden um ihre Hälse.“ So berichtet die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur am Dienstag von der Ankunft der ersten südkoreanischen Gewerkschaftdelegation, die seit der Teilung des Landes vor über fünfzig Jahren in die nördliche Hauptstadt Pjöngjang gereist ist – zum Fußball spielen. „Die rund zehn Kilometer lange Strecke vom Airport zum Hotel säumte eine große Zahl arbeitender Menschen,“ so Pjöngjangs Sprachrohr. Mit Rufen wie „Willkommen!“, „Nationale Wiedervereinigung!“ und „Korea ist eins!“ seien die Gewerkschafter aus dem Süden begrüßt worden.

Glaubt man Nord-Koreas Propaganda, steht die ungewöhnliche Fußballreise der 37köpfigen Delegation des militanten südkoreanischen Gewerkschaftsbunds KCTU in deutlichem Kontrast zur gegenwärtigen Stimmung in der Region. Die Regierungen Süd-Koreas, Japans und der USA rechnen täglich mit dem Test einer nordkoreanischen Langstreckenrakete, Für diesen Fall wurden bereits Gegenmaßnahmen angedroht. Seoul und Washington wollen nächste Woche gemeinsame Militärmanöver durchführen. Erst am Wochenanfang waren in Genf neue Friedensgespräche für die Koreanische Halbinsel ergebnislos geblieben. Denn zwischen Nord- und Süd-Korea herrscht seit dem Ende des Koreakrieges 1953 offiziell noch immer derKriegszustand.

Die 22 Spieler und 15 Begleiter von der südkoreanischen Gewerkschaft reisten mangels direkter Verbindungen über Peking nach Pjöngjang. Sie wollen aber über den Waffenstillstandsort Panmunjom in der demilitarisierten Zone zurückkehren. KCTU ist der kleinere und militantere der zwei südkoreanischen Gewerkschaftsdachverbände. KCTU ist insbesondere in den Großkonzernen stark vertreten und steht an vorderster Front der südkoreanischen Demokratiebewegung. Der streikfreudige und oppositionelle Gewerkschaftsverband ist konservativen Kräften in Süd-Korea seit Jahren ein Dorn im Auge. Seine Fußballer für die erste Reise in den Norden wählte er bei einem Turnier im Juli aus.

In Korea jährt sich am Sonntag die Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft zum 54. Mal. Zum „Tag der nationalen Befreiung“ finden in beiden Teilen traditionell Veranstaltungen statt, auf denen die Vereinigung beschworen wird. Auch die jetzige Begegnung steht unter dem etwas sperrigen Motto „Fußballtreffen süd- und nordkoreanischer Arbeiter in der Hoffnung auf Wiedervereinigung“. Gestern gewannen die nordkoreanischen Gewerkschafter gegen das Süd-Team – bei strömendem Regen – mit 5:4, heute ist ein Spiel gemischter Mannschaften angesetzt. Für August 2000 ist eine Wiederholung der Fußballspiele in Seoul geplant.

Diese Fußballdiplomatie wurde erst möglich mit dem Amtsantritt von Präsident Kim Dae-jung im Februar 1998. Der frühere Dissident leitete eine vorsichtige Entspannung gegenüber dem stalinistischen Norden ein. Zuvor wurden Kontakte mit Nord-Korea schwer bestraft. Erstes sichtbares Ergebnis dieses als „Sonnenscheinpolitik“ bezeichneten neuen Kurses sind die Touristenfahrten des Hyundai-Konzerns in das nördliche Kumgang-Gebirge.

Die jetzige Fußballreise war von der Regierung in Seoul erst am Wochenende genehmigt worden. Die Spiele sind in Süd-Korea umstritten, da sie vom Regime in Pjöngjang zu Propagandazwecken mißbraucht werden können. Zwei südkoreanische Gewerkschafter, die das Treffen im April in Pjöngjang ausgehandelt hatten, waren nach der Rückkehr selbst vom südkoreanischen Geheimdienst verhört worden. Sie waren aus technischen Gründen etwas länger als vorgesehen geblieben, was in Seoul sofort Verdacht auslöste.

Fußball als Mittel der Diplomatie wird sich in Korea erneut spätestens im Jahr 2002 bewähren müssen. Dann nämlich tragen Japan und Süd-Korea gemeinsam die Fußballweltmeisterschaft aus. Noch heute sind die Koreaner auf ihre früheren Kolonisatoren überhaupt nicht gut zu sprechen.

Sven Hansen