■ Neue grüne Umweltpolitik: Eine freundliche Konversion, und schon klappt es mit der Wirtschaft? Dass Konflikte durch Kooperation allein nicht immer zu lösen sind, zeigen Beispiele aus dem rot-grünen Regierungsalltag
: Die begrünte Industriepolitik

Stell dir vor, die Grünen machen Umweltpolitik – und keiner heult auf. Bisher gibt es das nur in grünen Träumen. Nun wünschen sich 21 grüne Umweltpolitiker aus Bund und Ländern, in einem Zehnthesenpapier, dieser Wunsch möge wahr werden.

Doch fast immer, wenn den Grünen ein umweltpolitisches Anliegen wirklich am Herzen liegt, kommt es fast automatisch zum „unendlichen Kleinkrieg“, den auch das Thesenpapier beklagt. Schuld daran ist keineswegs immer der „moralische Rigorismus“, den die Autoren in ihrer eigenen Partei kritisieren. Oft ist es auch technokratischer Rigorismus des Koalitionspartners SPD.

Dies zeigt eindrucksvoll das Beispiel Garzweiler II, wo Rheinbraun künftig Braunkohle fördern will. Seit 1995 schlugen sich Grüne und Sozialdemokraten am Rhein um die geplante Grube, deren Braunkohle besonders klimaschädlich ist, die Grundwasserströme bis weit in die Niederlande durcheinander bringt und für die sich nicht zuletzt 8.000 Menschen umsiedeln lassen müssen.

Hier funktionierte der Schulterschluss von Industrie, Gewerkschaften und Sozialdemokraten. Nach drei Jahren Gezerre und Gezanke war das Problem schließlich so aufgeladen, dass die Kommentatoren nicht mehr über den wirtschaftlichen Sinn und Unsinn des Projekts oder über Umweltschäden sprachen, sondern nur noch über „Regierungsfähigkeit“.

Nordrhein-Westfalens grüne Umweltministerin Bärbel Höhn musste schließlich vergangenen Oktober klein beigeben. Kein Wunder also, dass Höhn das Zehnthesenpapier nicht umhaut. Dass man auch in der Umweltpolitik die Kooperation mit der Wirtschaft suchen müsse, sei schließlich eine „Binsenweisheit“, sagt sie. Und es ist schwierig. im Nachhinein zu entscheiden, ob das Anrennen der Grünen gegen Garzweiler II nun genützt oder geschadet hat.

Ganz anders gehen die Grünen in Hamburg vor. Sie mieden in den bisher zwei Jahren rot-grüner Regierung die offene Konfrontation. Sie stimmten sogar aus Angst, als Arbeitsplatzverhinderer dazustehen, zu, ein einzigartigen Süßwasserwatt teilweise zuzuschütten: das Mühlenberger Loch, wo die DASA den Riesenflieger Airbus A3XX bauen will. Und das, obwohl die Hansestadt für die erhoffte Ansiedlung Subventionen versprechen musste, die sie im Leben an Steuern nicht wieder reinholt – „wider alle Vernunft“ urteilte der Spiegel.

Dass es zuweilen ohne Konfrontation nicht geht, ist auch den 19 Umweltpolitikern klar: Das Thema Atomausstieg haben sie in ihrem Papier ausgespart. Überhaupt sparen sie mit Beispielen in der derzeitigen Bonner Politik für eine „kommunikative, impulsgebende und selbstbewusste“ Umweltpolitik.

Da muss auf die Umweltverbände zurückgegriffen werden, die diese Woche ein Bündnis mit ADAC und Automobilindustrie schlossen, um die Mineralölindustrie zu zwingen, ihren Sprit noch schneller schwefelarm zu machen.

Der verkehrspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Albert Schmidt, wünscht sichein Bündnis mit dem ADAC für eine möglichst hohe Schwerverkehrsabgabe, um den Güterverkehr auf die Schiene zu bringen. Schließlich ärgere sich auch der Lobbyclub darüber, dass die vielen Lastwagen „immer mehr die Straßen verstopfen und Staus verursachen“.

Solche überraschende Bündnisse sind sicher wünschenswert und werden von den Grünen bislang zuwenig gesucht. Doch sie funktionieren nur selten. Das letzte ungewöhnliche Bündnis in einer wichtigeren Frage stand vor zwei Jahren in Bonn auf der Straße, um für den Erhalt der Stromeinspeisevergütung zu demonstrieren, die den Boom in der Windenergie möglich machte. Grüne demonstrierten damals gemeinsam mit IG Metall, Bauern und der Maschinenbauindustrie.

Das schlechte Image der grünen Umweltschützer hängt nicht nur mit fehlender Kompromissbereitschaft zusammen. Dies zeigt drastisch die Ökosteuer. Eigentlich handelt es sich dabei um ein positives Beispiel: Statt Grenzwerten und Verboten gibt man steuerliche Anreize. Das Aufkommen der Steuer wird in die Schaffung von Arbeitsplätzen gesteckt. Bereits im Vorfelde wurden Bündnispartner in der Wirtschaft gewonnen, etwa Hersteller von energiesparenden Geräten. Und doch kam nur eine Ministeuer heraus. Und die ließen sich die Grünen vor zwei Monaten von der SPD noch einmal halbieren. Manchmal nützt Dialog offenbar doch nichts.

Und dennoch ist die Ökosteuer ein gutes Beispiel für das, was das Papier kritisiert: den alten Verbalradikalismus der Grünen. Denn etwa die plakative Forderung im Wahlkampf nach fünf Mark für das Benzin dank Ökosteuer hat es den Gegnern leicht gemacht, dem Projekt ein schlechtes Image aufzudrücken. Und Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte es leicht, auf seinen sechs Pfennig zu bestehen. Matthias Urbach