Sun Singles Junk

Das Sun Label war eine der einflussreichsten Musikproduktionsfirmen der fünfziger Jahre in den USA. Elvis Presley bekam dort seinen ersten Vertrag und hatte dort auch seine ersten Erfolge. Geplant war Sun Label, gegründet im November 1952 in Memphis (US-Staat Tennessee) als gute Adresse, bei der die Musik der schwarzen Bevölkerung, Blues vor allem, eine Heimat finden sollte.

Sam Phillips, 1923 in Florence, US-Staat Alabama geboren, ist der Gründer von Sun Label. Er arbeitete Ende der vierziger Jahre als Plattenaufleger für zwei Radiostationen in Memphis. Durch diesen Job wusste er, was bei welchen Hörern ankam – schwarze Musik, temporeich, aggressiv, frei von Gospelsentimentalitäten.

Ehe Sam Phillips Sun Records als Unternehmen profilierte, produzierte er für Undergroundlabel junge schwarze Musiker wie Howlin' Wolf, Ike Turner, B. B. King und Bobby Bland. Deren Erfolg brachte ihn überhaupt erst auf die Idee, auf eigene Rechnung zu arbeiten.

Bei Sun Records begann nicht nur Presley seine Karriere, auch Carl Perkins, Roy Orbison, Johnny Cash, Jerry Lee Lewis, allesamt längst Mitglieder der Ruhmeshalle westlicher Pophelden, wären vermutlich ohne Phillips' (unternehmerische) Hilfe nicht so karrierös über die Runden gekommen.

Bei Bear Family Records sind mittlerweile – was für eine Fleißarbeit das gewesen sein muss, wird jeder ahnen – in sechs Boxen alle Vinylsingles von Sun Records wiederveröffentlicht worden, natürlich auf CDs, wovon es in jeder Box deren vier gibt. Stellt man alle LP-großen Behältnisse in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung nebeneinander und schaut sich dann den Rücken des Gesamtwerks an, wird Sam Phillips erkennbar: eine kleine, liebevolle Spielerei mit dem Bild des Mannes, der nichts als die Idee hatte, eine Marktlücke zu füllen, alsoschwarze Musik auch für Weiße zu produzieren – was Anfang der fünfziger Jahre beim weißen Establishment nicht unumstritten war, lebten die meisten Schwarzen in den US-Südstaaten faktisch noch unter Apartheidsverhältnissen.

Die 24 CDs sind strikt chronologisch sortiert, aufgenommen wurde nur, was auch tatsächlich als Vinylsingle – damals auch in den USA eine Neuheit – auf den Markt gebracht wurde. Verzichtet wurde auf jede Alternativaufnahme, auf Probeneinspielungen, also auf jeden Schnickschnack. Presleys erste fünf Aufnahmen sind darauf natürlich in Originalversionen auch enthalten. Nichts wurde durch technische Tricks und Kniffe aufgehübscht.

Die meisten Tondokumente einer Ära, in der die moderne Popmusik geboren wurde, sind freilich von Künstlern eingespielt, die heute niemand mehr kennt. Manche Sänger waren schon in den frühen fünfziger Jahren über einen Ein-Single-Versuch nicht hinausgekommen. Eine verdienstvolle Sammlung, nicht mehr, nicht weniger. JaF

The Complete Sun Singles, Volumes 1 bis 6. Bear Family Records, Preis pro Box: 150 Mark, Infos unter Fon (0 47 94) 9 30 00