„Man hat ja alles“

Weltoffenes Winterhude: Das Viertel zwischen Alster und Barmbeker Straße bietet Luxus, Trash und Gartenzwergidylle  ■ Von Konstanze Ehrhardt

Auf dem Poelchaukamp, sagt Julia Raabstein überzeugt, „gibt es das beste Eis Hamburgs“. Julia Raabstein ist voreingenommen: Die 30-jährige ist seit drei Jahren Winterhuderin und von ihrem Stadtteil überzeugt. Allerdings: Ein gewisses Faible fürs Kulinarische kann man ihren MitbewohnerInnen tatsächlich nicht absprechen. Im Viertel zwischen Alster und Barmbeker Straße wechseln sich Delikatessenläden, stilvolle Espresso- Bars, italienische und mexikanische Restaurants der Reihe nach ab. Es riecht nach Süden und Urlaub.

Nicht nur der Gaumen wird gekitzelt, Winterhude ist auch ein Fest fürs Auge. Eine Gründerjahrevilla nach der anderen und dazwischen grünende und blühende Gärten. Eichen säumen den Straßenrand. Immer wieder kleine Brücken und Kanäle. „Guten Morgen Liebste“, steht an einer Hauswand in der Semperstraße. Das ist dann auch schon das einzige Graffito in dieser Gegend. Wer hier lebt, hat's harmonisch. „Das Schöne ist der Mischmasch an Leuten“, schwärmt Julia Raabstein. „Hier leben viele flippige Junge, aber auch Alte, die seit Generationen da sind. Einfach quer Beet.“

Gemütlich sind auch die unzähligen Straßencafes und Eisdielen zwischen Mühlenkamp, Gertig- und Geibelstrasse. Dort spielt sich das Winterhuder Stadtleben ab. Ein Platz an der Sonne ist an einem der Tische leicht zu finden. Von dort aus kann man den WinterhuderInnen dabei zusehen, wie sie in einem der schicken Schnickschnack-Läden in der Gertigstraße, im „Magic“ oder im „Aufsteiger“, Geschenke und Luftballons kaufen. Oder sich mit orginal 70er-Jahre-Möbeln, Accessoires und Antikem aus einem der diversen Edelramschläden versorgen. Winzige Modeboutiquen bieten Passendes für große Portemonnaies, und die lieben Kleinen müssen sich währenddessen auch nicht langweilen. Der Schinkelplatz ist ein großer Spielplatz, wo es genug Rutschen, Schaukeln und Sandkästen zum Austoben gibt.

Überhaupt scheint in Winterhude die Welt noch in Ordnung zu sein. Die Autos halten am Zebrastreifen an, es gibt Telefonbücher in den Telefonzellen, und am Gold-bekufer wachsen Tomaten in den Schrebergärten. Die Gartenzwergidylle ist hier gelungen. Beim Bootshaus Kubi's gegenüber kann man sich ein Kanu mieten und vom Goldbekkanal aus die Winterhuder Wasserarme abpaddeln, oder man setzt sich auf einen der Stege und füttert Enten.

Trashiger wird es, wenn man entlang der Barmbeker Strasse in Richtung Stadtpark geht. Die China-Grillimbisse und Eisdielen dort erinnern mit ihrer pastellfarbenen Einrichtung an die Atmosphäre in einem Einkaufszentrum. Gleich daneben gibt–s in einem Secondhandplattenladen LPs, CDs und Comics in chaotischen Mengen zum Billig-Preis. Dazwischen stehen verstaubte Comicfiguren und Märchenvideos. Das „Haus der Fantasie“ im Borgweg lädt zum Rollenspiel bei Sience-fiction-Filmmusik ein. „Wir fühlen uns wohl hier“ meint Sven Zolbow, der dort die Fantasy-Fans berät. Hier können sich die Winterhuder jeden Donnerstag zum Batteltech oder anderen „blutigen“ Spielen treffen.

Wer es einmal bis nach Winterhude geschafft hat, möchte so schnell nicht wieder fort. „Die Leute bleiben alle hier“, meint Julia Raabstein, die hier auch am liebsten durch die Kneipen zieht. Warum auch nicht: „Man hat ja alles.“