Ceausescu in Bronze zum Dritten ...

Der Privatbesitz des früheren rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu kommt dieser Tage in Bukarest unter den Hammer. Das Interesse der Besucher ist groß und die rumänische Staatskasse klingelt  ■   Aus Bukarest Keno Verseck

Mechanisch hebt Dr. Ru Ru immer wieder die Hand. Das Gemälde hat mittlerweile fast das Fünffache seines Eröffnungsgebotes erreicht. Ein älterer rumänischer Herr steigert noch unsicher mit. Dann resigniert er. Wie so oft in diesen Tagen hat der rätselhafte Dr. Ru Ru, ein US-Amerikaner mit asiatisch-rumänischen Vorfahren, wieder gewonnen. Mehr als tausend Mark ist ihm das Kitschbild von Ceausescu wert. Gemalt im Jahre 1983, zeigt es den Diktator zwanzig Jahre jünger, als er zu jener Zeit war. Auf dunklem Hintergrund, um den Kopf herum einen lichten Schein. „Ich sammle Stücke von Persönlichkeiten aus der rumänischen Vergangenheit und hätte gerne eines von Ceausescu gehabt“, sagt der Rumäne traurig. „Aber bei diesen Preisen kann ja keiner mithalten.“

Ceausescus ehemalige Villa im Bukarester Nomenklatura- und Nobel-Viertel Primaverii. Eine hohe Mauer umgibt das Gebäude. Früher war die ganze Gegend weiträumig abgesperrt. Jetzt hängt vor dem eisenbeschlagenen Eingangstor ein schlichtes Transparent: „Versteigerung des Besitzes der Eheleute Elena und Nicolae Ceausescu“. Hinter dem Tor sind einige Limousinen der Diktatorenfamilie ausgestellt: ein Mercedes- Sportcoupé der Ceausescu-Tochter Zoe, ein Hillman – Geschenk des iranischen Schahs an den rumänischen Diktator –, ein 30 Jahre alter Dacia – die rumänische Renault-Lizenz –, kaum gefahren. Ein Präsent der Arbeiterklasse an ihren besten Sohn und Führer.

In der Villa selbst liegt aus, was die Ceausescus jahrzehntelang akribisch gehortet hatten: Stöße von dicken Pelzmänteln und Kleidern mit Ersatzperlen, Arsenale von massiven Vasen und Obstschalen, Kaffee- und Tischservices, Nachttischchen und Bürolampen, Regale voller Handtaschen, Mützen und Hüte.

Dazwischen Dutzende von Geschenken und Diktatoren-Devotionalien: die Ceausescus in Öl und Wasserfarbe, aus Porzellan, Gips und Holz, aus Bronze und Blech, graviert, gestickt, gewebt und als Relief. Ein Universum aus exorbitantem Kitsch.

Einst wollte der größenwahnsinnige Diktator alle Geschenke an ihn in einem eigens dafür hergerichteten Museum ausstellen lassen. Der Sturz und die Hinrichtung der beiden Ceausescus im Dezember 1989 machten den Plan zunichte. Der rumänische Staat beschlagnahmte den Privatbesitz des Diktatorenehepaars und ihrer Kinder. Zehn Jahre lang lagerten die meisten Gegenstände im Keller des ehemaligen kommunistischen Mausoleums in Bukarest. Vergeblich stritten die beiden noch lebenden Ceausescu-Kinder Zoe und Valentin vor Gericht um eine Rückgabe des Besitzes.

In dieser Woche versteigerte die Protokollabteilung der rumänischen Regierung die ersten 650 Objekte aus dem Diktatorenbesitz. Mit Erfolg: Bis zum gestrigen Freitag, dem vorletzten Tag der Versteigerung, hatten Interessierte mehr als 700.000 Mark für den Ceausescu-Ramsch ausgegeben. Das Geld geht an den chronisch defizitären Staatshaushalt. Weitere Versteigerungen sollen im Herbst folgen.

Noch fast zehntausend weitere Gegenstände aus dem Besitz der Ceausescu-Familie hat die Regierung auf Lager. Der Chef der Protokollabteilung, Aurel Vlaicu, freut sich über den Erfolg der Aktion: „Das Interesse ist sehr groß. Wir sind vom Image des kommunistischen Nostalgie-Handels weggekommen.“

Die meisten Besucher der Versteigerung kommen freilich eher aus Neugier. Viele sind Rumänen, die im Ausland leben, oder Touristen. Während sie sich Ceausescus Villa und die ausgestellten Limousinen anschauen, präsentieren im Versteigerungssaal Models den Diktatoren-Plunder. Eine langbeinige Blonde rollt eine zwei Meter lange Schlangenhaut aus – da lachen sogar die Versteigerungsbeamten verkniffen.

Ein großer, leicht ramponierter Globus mit Zuckerguss-Kontinenten aus Blumen, Friedenstauben und einer weltumspannenden rumänischen Fahne geht für umgerechnet 280 Mark weg. Ein bekannter rumänischer Karikaturist, Eugen Mihaescu, kauft einen Teppich mit dem eingewebten Antlitz von Ceausescu und seiner Ehefrau – um „endlich auf ihnen herumtreten zu können“, wie er verrät.

Ein rumänischer Ingenieur ersteht „im Autrag eines ausländischen Freundes“ eine Ceausescu-Schirmmütze und verschwindet dann schnell, weil er die Auktion „irgendwie makaber“ findet und hofft, dass kein Bekannter ihn hier entdeckt. Überhaupt gehen Ceausescus Schirmmützen – Typ „Altherren-Kappe mit landwirtschaftlich-proletarischem Einschnitt“ – reißend weg. Ihr Einheitseröffnungspreis beträgt 23,25 Mark – am Ende ereichen sie den zehn- bis zwanzigfachen Preis.

Weniger Nachfrage finden die Stücke aus Elenas Kleidercontainern, denen doch allzu stark das Flair von Omas Mottenkiste anhaftet. Eine ältere Rumänin, die seit zwanzig Jahren in der Schweiz wohnt und zu Besuch nach Bukarest gekommen ist, geht enttäuscht aus der Versteigerung. Jemand hat ihr ein Kaffeeservice, das sie unbedingt kaufen wollte, vor der Nase wegersteigert. Nun ruft sie affektiert aus: „Ich dachte, dieser Ceausescu und seine Frau hätten in einem Palast gelebt. Aber diese Villa und der ganze Kram – das ist ja bloß wie bei wohlhabenden Kleinbürgern.“