US-Amerikaner wollen von der Evolution nichts wissen

■ Im Bundesstaat Kansas fliegt die Lehre Darwins aus dem Lehrplan. Die Schüler sollen begreifen, dass Gott allein die Welt geschaffen hat. Argumente dafür gibt es im Internet

Washington (taz) – Der Schulrat des US-Bundesstaates Kansas hat am Mittwoch die Evolutionslehre aus dem Lehrplan gestrichen. Das bedeutet zwar kein Verbot, die Erkenntnisse Charles Darwins im Biologieunterricht zu behandeln, denn die Lehrpläne werden in den örtlichen Schulbezirken gemacht. Doch weil Prüfungen und Leistungskriterien für Versetzung und Schulabschluss nun das Verständnis der Evolution nicht mehr voraussetzen, werden noch weniger Lehrer als bisher Zeit darauf verwenden, sie zu behandeln.

Damit haben die „creationists“ ihren bisher dramatischsten Erfolg im Kampf um christliche Inhalte und Werte an öffentlichen Schulen erzielt. Nach Auffassung der „Creation Scientists“ (Schöpfungswissenschaftler) hat Gott die Erde wie in der Genesis beschrieben geschaffen. Darwins Lehre ist allenfalls eine Theorie, die nicht bewiesen werden kann.

Die Evolutionslehre, die seit ihrer Formulierung Christen gegen die Wissenschaft aufbrachte, spielte in letzter Zeit in den USA und in Kanada wieder eine Rolle im „Kulturkampf“ zwischen der christlichen Rechten und dem säkularen Liberalismus. Dass im Biologieunterricht die Evolutionslehre und nicht „creationism“ gelehrt wird, ist nach Auffassung des Republikanischen Fraktionsvorsitzenden im Repräsentantenhaus, Tom DeLay, auch der Grund für die Schießereien an US-amerikanischen Schulen. „Wenn Kinder lernen, dass sie Produkte des Zufalls und des Überlebenskampfs sind, dann erfahren sie, dass ihr Leben keinen Sinn hat und dass es keine Hoffnung gibt. Das ist es, was Jugendliche zu Mord und Selbstmord treibt“, argumentiert auch Mark Looy von der Organisation „Answers in the Genesis“ (Genesis hat die Antwort).

Kansas ist nur der letzte Bundesstaat, in dem der Kampf um die Evolutionslehre zu skurrilen Ergebnissen führte. In Alabama müssen alle Biologiebücher einen Vermerk tragen, der die Evolutionslehre als umstrittene Theorie ausweist. Der Streit zwischen fundamentalistischen Christen und Biologen führte schon 1925 im Bundesstaat Tennessee, der die Behandlung der Evolution an seinen Schulen verboten hatte, zu dem weltweit beachteten „Affenprozess“, den die Verfechter der Wissenschaft verloren.

In den 60er Jahren wurden die Gesetze gegen die Evolutionslehre an Schulen in Arkansas und Tennessee vom Obersten Bundesgericht für verfassungswidrig erklärt. Doch die christlichen Fundamentalisten gaben ihren Kampf um die Gestaltung des Unterrichts nicht auf. Die Creationisten sind einfallsreicher geworden. Sie argumentieren nicht mehr aus der Bibel heraus, sondern greifen Schwächen und Widersprüche der Evolutionslehre an. Sie haben eigene Akademien gegründet wie das „Creation Science Research Center“ in San Diego, geben Bücher und Broschüren heraus und unterhalten im Internet Websites, auf denen eingängige Slogans Links zu Argumentationshilfen darstellen: Unter Balkenüberschriften wie „Creation Explanation“ oder „Handy-Dandy Evolution Refuter“ (handlicher Evolutionswiederleger) findet man einen Frage-Antwort-Katalog mit Argumenten gegen die Evolutionslehre.

„Der Unterschied zum Affenprozeß von 1925,“ erklärt der Historiker und Jurist Edward Larson, „ist, dass der damalige wortgewaltige Fürsprecher der Evolutionsgegner, William Jennings Bryan, Darwins Lehre aus einem sozialen Ethos heraus attackierte. Er griff den Sozialdarwinismus eines zügellosen Kapitalismus und damit eher Nietzsche mit seiner Lehre vom höherrangigen Lebensrecht des Übermenschen an als Darwin selbst.“

Der neue Angriff auf die Evolution geht weiter. Ging es damals nur um die Entwicklung des Menschen, bezieht sich die neue Regelung auch auf die Erde, das Sonnensystem und die Entstehung des Universums. Larson, der im vergangenen Jahr für sein Buch über den „Affenprozess“ den Pulitzer-Preis erhielt, glaubt, dass Lehrplanrevisionen wie in Kansas keine Auswirkungen auf den Biologieunterricht im Land haben werden, denn: „Die Evolutionslehre ist nicht nur im ländlichen Amerika, sondern auch in den schwarzen Ghettos des städtischen Amerikas derart unpopulär, dass sie ohnehin kaum gelehrt wird.“ 44 Prozent der Amerikaner glauben, Gott habe die Welt fertig erschaffen, 40 Prozent glauben an eine von Gott gelenkte Evolution und nur 10 Prozent an die Evolutionslehre Darwins. „Es ist eine Ironie besonderer Art, dass Amerikas Wissenschaftler einerseits in Biotechnologie und Gentechnik führend sind, während andererseits der naturwissenschaftliche Unterricht an öffentlichen Schulen derart rückständig ist“, meint Larson. „Man kann allerdings sehr gut in der biotechnischen Industrie arbeiten, ohne die Evolutionslehre zu verstehen. Würden die Lehrpläne die Genetik angreifen, das wäre etwas anderes.“ Peter Tautfest