„Wir brauchen keine Bundeshilfspolizei“

■ Gerd Höfer, SPD-Verteidigungsexperte und Major, ist gegen neue Aufgaben für die Bundeswehr im Inland. Er rechnet aber damit, dass die Frage im Verteidigungsausschuss diskutiert wird

taz: Ist für Sie der Einsatz der Bundeswehr im Inland tabu?

Gerd Höfer: Ich halte nichts von neuen Einsatzgebieten der Bundeswehr im Innern. Dafür ist sie nicht ausgerüstet und ausgebildet. Die Verfassung setzt enge Grenzen und das sollte so bleiben.

Ihr Fraktionskollege Helmut Wieczorek, Chef des Verteidigungsausschusses, hat nichts gegen gelegentliche Hilfe des Militärs bei Polizeieinsätzen. Sie sind im Ausschuss für Rechtspflege zuständig. Wäre derartige Hilfe vom Grundgesetz gedeckt?

Nicht nur die Polizei, sondern zum Beispiel auch ein Landrat kann Amtshilfe anfordern, wenn es einen Unglücksfall gibt oder ein großer Waldbrand ausbricht. Auch im Falle eines Staatsnotstands, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht ist, kann die Regierung das Militär einsetzen. Aber das müssten dann schon bürgerkriegsähnliche Zustände sein. Mehr halte ich weder für zulässig noch für notwendig. Auch nicht gelegentlich.

Helmut Wieczorek ist für Querdenken, Paul Breuer von der CDU gegen Denkverbote.

Wir müssen uns schon Gedanken über Bedrohungsszenarien machen, etwa durch internationalen Terrorismus. Aber wir sollten doch sorgfältig trennen, wer im Staat welche Aufgabe wahrnimmt. Und wenn wir neue Bedrohungen feststellen, müssen wir nicht gleich sagen: Aha, jetzt wird die Bundeswehr zur Bundeshilfspolizei. Die brauchen wir nicht.

Was ist, wenn ein umstrittener Castor-Transport unterwegs ist oder eine Großkundgebung läuft und die Polizei noch Hubschrauber oder Sanitätspanzer braucht?

Wenn die Polizei logistisch nicht in der Lage ist, bestimmte Dinge vorzuhalten wie Fernmeldemittel oder Sanitätsmittel, habe ich keine Bedenken. Die Bundeswehr greift ja dann nicht mit Waffengewalt ein. Auch Absperrungen halte ich für unproblematisch.

Ist nicht die Trennung aufgehoben, wenn Polizei und Militär so eng zusammenarbeiten – egal wer was übernimmt?

Wenn ein Hubschrauber zur Überwachung angefordert wird, müsste das unter ziviler Führung der Polizei geschehen.

Warum wird in anderen Staaten nicht so stark getrennt?

Aus der deutschen Geschichte wurde eben Lehren gezogen. In der Weimarer Republik wurde das Militär auch im Innern eingesetzt und im Dritten Reich konnte man nicht mehr unterscheiden, welcher Uniformierte welche Rechte hatte.

Dieser Tage wird gerätselt, ob sich der Generalinspekteur der Bundeswehr neue Aufgaben im Inneren wünscht. Sie sind Major der Reserve. Ist man in der Bundeswehr an so etwas interessiert?

Nein. Die Aufgaben der Bundeswehr werden auch nach wie vor nicht von ihr selbst, sondern vom Parlament definiert.

Rechnen Sie damit, dass der Verteidigungsausschuss über das Thema diskutieren wird?

Ich wette einen Kasten Bier darauf. Wir werden wohl nicht umhinkommen, das Thema auch in der SPD-Fraktion zu erörtern. Aber obwohl es offensichtlich unterschiedliche Auffassungen gibt, sehe ich keine Mehrheit für eine Verfassungsänderung, nach der die Bundeswehr Polizeiaufgaben übernimmt. Interview: Georg Löwisch