Grüne Thesen sind nicht allen grün

■  Gemischte Reaktionen auf den neuen Schmusekurs mit der Wirtschaft. Das Papier richtet sich angeblich nicht gegen Trittin, sondern soll dem Umweltminister den Rücken stärken

Berlin (dpa/AP/taz) – Bei den führenden Grünen-Politikern, aber auch bei Umweltverbänden und Vertretern der Wirtschaft ist das Papier zur „Erneuerung bündnisgrüner Umweltpolitik“ auf geteilte Resonanz gestoßen. Die zehn Thesen waren von 21 Bündnisgrünen vorgestern veröffentlicht worden.

Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn kritisierte in der ARD, die Grünen könnten „nicht einseitig und allein auf Kooperation mit der Wirtschaft setzen“. Dies widerspräche der Praxis in einem industriell geprägten Land wie Deutschland.

Auch ihr Hamburger Kollege Alexander Porschke äußerte sich skeptisch: „Wir haben nicht die Rolle des Moderators, des Neutralen, dem Umwelt- und Wirtschaftsinteressen gleich weit entfernt sind.“ Parteifundi Christian Ströbele will im Herbst mit einem Thesenpapier aus dem linken Flügel antworten.

Höhn befürchtet außerdem, es entstehe der Eindruck von Flügelkämpfen in der bündnisgrünen Umweltpolitik und der Kriktik an Trittin, da das Diskussionspapier ohne parteiinterne Debatte der Öffentlichkeit vorgestellt worden sei.

Führende Grüne bestreiten diese Absicht. Fraktionssprecherin Kerstin Müller wehrte sich gegen die Behauptung, die Verfasser der Umweltthesen haben damit „eine Person“ kritisieren wollen. Im Gegenteil: Das Papier sei mit Trittin abgesprochen worden. Gunda Röstel verspürt sogar ganz gezielt einen „richtigen Rückenwind“ für den Umweltminister.

Trittin selbst hat das Papier zwar nicht unterschrieben, unterstützt nach Angaben einer Sprecherin jedoch die Forderungen nach mehr Kooperation anstatt Konfrontation mit der Wirtschaft.

Einer der wenigen Unterzeichner aus dem linken Parteiflügel, der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Winfried Hermann, nahm das Thesenpapier zum Anlaß für Selbstkritik: „Von uns wird zu recht erwartet, dass wir in Feldern, in denen SPD-Minister das Sagen haben, etwa der Verkehrs- oder Wirtschaftspolitik, das Anliegen einer ökologischen Politik zur Sprache bringen.“

Vertreter der Wirtschaft sind im Bezug auf das grüne Thesenpapier geteilter Meinung. Während der Bund der Deutschen Industrie die „Umorientierung“ begrüßte, fand Peter Menke-Glückert vom Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (BVMV) harte Worte: „Wenn Grüne von Wirtschaft reden, ist das so, wie wenn ein Blinder von Farben redet.“

Auch die Umweltverbände reagierten unterschiedlich. Der WWF begrüßte das Papier als „tendenziell richtig“, denn: „Die Umweltdiskussionen haben sich verändert. Heute ist nicht mehr so klar, wo die Bösen sind“, sagte ein Sprecher der Stiftung der taz. Der BUND hielt dagegen: „So verschrödern die Grünen und verlieren an Profil.“ Greenpeace lobte vorsichtig die „neuen Ideen zum Erreichen umweltpolitischer Ziele“. Pressesprecher Michael Hopf schränkte jedoch ein, wenn die Grünen zu einseitig auf Kooperation setzten, entstehe eine Schräglage: „Es gibt Fälle, da muß man Verbote oder andere Mittel, aber nicht Kooperation einsetzen.“ kk

Senator Porschke: „Wir haben nicht die Rolle des Moderators, des Neutralen, dem Umwelt- und Wirtschaftsinteressen gleich weit entfernt sind.“