Notstand in Venezuela

■ Weg zur Auflösung des Parlaments geebnet

Caracas (dpa) – Die Verfassungsgebende Versammlung hat in Venezuela den Weg zu der von Staatspräsident Hugo Chavez geforderten Auflösung des Parlaments und des Obersten Gerichts geebnet. Die Versammlung erklärte am späten Donnerstagabend in Caracas alle Staatsorgane per Dekret als im „Notstand“. Für die erwartete Verhängung des „nationalen Notstandes“ kam dagegen keine Mehrheit zustande, weil viele Abgeordnete laut Medienberichten von gestern größeren Schaden für das Image des Landes im Ausland befürchteten.

Die von der linksnationalistischen Regierungskoalition Patriotischer Pol beherrschte Versammlung erklärte, das Land mache „eine schwere politische, wirtschaftliche, soziale, moralische und institutionelle Krise durch, die zum Kollaps der öffentlichen Gewalten geführt hat“. Die Krise, heißt es weiter, halte die Mehrheit der Venezolaner „in einem unannehmbaren Armutszustand, der die grundlegendsten Menschenrechte gefährdet“.

Am Mittwoch hatte die Versammlung Chavez im Amt bestätigt. Die Versammlung muss bis Ende Januar 2000 ein neues Grundgesetz erarbeiten, das das Kernstück der von Chavez angekündigten „friedlichen Revolution“ darstellt. In der neuen Verfassung will der 44 Jahre alte Ex-Putschist Chavez unter anderem die sofortige Wiederwählbarkeit des Präsidenten, die Wahl der Richter durch das Volk sowie die Gewährung größerer gesellschaftlicher und politischer Rechte für die Streitkräfte aufnehmen.

Die Opposition befürchtet, dass Chavez die Verfassungsreform und den „bedingungslosen Kampf gegen Armut und Korruption“ zur Festigung seines autoritären Regierungsstils nutzen will. Die Präsidentin des Obersten Gerichts, Cecilia Sosa, rief Chavez zur „Achtung des Rechtsstaates“ auf.