Das tägliche Millionenspiel mit Schau-den-Lukas

■ Trotzig streiten sich die Ballgewaltigen, wie dem Fernsehen mehr Geld abzugrätschen ist

Sie gingen aggressiv in die rhetorischen Zweikämpfe und konterten überfallartig: Die Manager der Fußball-Bundesliga waren während der Sommerpause prächtig in Form. Es war ihr Trainingslager, denn in der 37. Saison der deutschen Eliteklasse geht es nicht um Fußball. Es geht ums Geld, natürlich gehts ums Geld. Die Fernsehverträge mit Sat.1 und Premiere laufen zum Juni 2000 aus und deshalb zerren die Kluboberen bereits auf Verdacht an ihrem Tauende.

Bundesligavereine sind keine Horte gefühlsduseliger Feierabendfunktionäre mehr, es sind Wirtschaftsunternehmen. Klubs wie Berlin, Frankfurt und Hamburg haben sich eng an Rechteagenturen gebunden, um Kapital heranzuschaufeln. 286.000 Dauerkarten haben die 18 Erstligisten verkauft, ihr Gesamtetat kletterte von zuletzt 670 Millionen Mark auf 820 Millionen Mark.

Der Fußball boomt, weil er den begehrtesten Rohstoff des Kommunikationszeitalters produziert: Unterhaltung. Süchtig nach den Kickern sind die Quoten-Schmieden, weil die Zuschauer süchtig sind. Dank der Champions League will sich Frauensender tm 3 aus dem Nichts stemmen, Live-Spiele sind beste Köder für Pay-TV-Decoder, und das „ran“-Tamtam schlägt den Takt: Der Volkssport soll zum Volksfest werden, bei dem täglich ein neues Schau-den-Lukas in die Stuben rauscht.

Eine solch Schöne Neue Welt des TV total ist der Traum des Bayern-Managers Uli Hoeneß. Mit Inbrunst wettert er gegen die zentrale Fernsehvermarktung, gegen das Monopol des DFB; Hoeneß will endlich zehn Millionen Mark pro Live-Übertragung einstreichen dürfen.

Das von ihm geschmähte Solidarprinzip existiert seit 1963. Aus 600.000 Mark Lizenzgebühr sind 325 Millionen Mark geworden, doch immer noch sind vor dem DFB alle gleich: Aufsteiger SSV Ulm deckt von seinen 14 Millionen Mark fast den Saisonetat, Potentaten wie Bayern München – Etat: 80 Millionen Mark –, Leverkusen und Dortmund empfinden das Sümmchen als Frechheit.

Plumpe Gier ist es diesmal nicht, die den polternden Wurstfabrikanten Hoeneß umtreibt, sondern der Ärger, „dass ein Verband über das Schicksal eines Unternehmens entscheidet“. Er verweist auf eine Milliarde Mark TV-Gelder der Italiener – die Gehälter der Spitzenspieler seien für deutsche Teams kaum noch zu finanzieren. Eine zweitklassige Bundesliga aber wäre der Tod der Bundesliga.

Hoeneß' Gegenspieler ist der DFB-Ligaausschussvorsitzende Gerhard Mayer-Vorfelder, der Gefährten aus Schalke und Bremen um sich schart. „Die Konkurrenzfähigkeit der Liga ist bei einer Freigabe in Gefahr“, sagt er und entwirft jenes Endzeitszenario, das der DFB noch bei jedem Kommerzialisierungsschub hervorgekramt hat. Mit dem finanziellen Gefälle wachse auch das sportliche. Eine langweilige Bundesliga aber wäre der Tod der Bundesliga.

Die Debattanten haben ihren Ton erst gemildert, seit sie versuchen, die TV-Anstalten gegeneinander auszuspielen. DFB-Ligasekretär Wilfried Straub soll nun den goldenen Kompromiss ausarbeiten. Ohnehin für sinnlos hält den Streit Engelbert Kupka, Präsident des Neulings Unterhaching. Der Jurist erwartet, dass die Wettbewerbshüter der EU das deutsche System nächstes Jahr kippen. „Wenn ich die Revolution schon nicht verhindern kann“, sagt Kupka, „dann mache ich sie lieber selbst. Also: Einzelvermarktung mit Solidarfonds.“

Die Verhandlungsposition jedenfalls scheint günstig, weil den Lizenzjägern der TV-Sender mehr denn je die Scheine aus den Lefzen tropfen. Leverkusens Manager Reiner Calmund hat vorsorglich 800 Millionen Mark pro Jahr gefordert. Spricht da noch wer von Männerschweiß, Blutgrätschen, Freudentränen?

Vor Wochen horchte die Rasen-Republik immerhin verschreckt auf, als die Bayern verkündeten, aus Protest zum ersten Spieltag nicht anzutreten. Doch die Kraftmeierei verpuffte. Natürlich gibt sich der deutsche Meister heute gegen den HSV die Ehre. Nein, in München soll die Bundesliga nicht sterben. Rüdiger Barth, Berlin (1. Liga)