Tennis: Vorteil Amateure

■ Steffi Graf erklärt ihren Rücktritt vom Turniertennis – endgültig, undementierbar

Berlin (taz) – Gestern mittag um 12.04 Uhr war er endlich raus, der Satz, mit dem Steffi Graf so lange und heftig gerungen hatte. „Ich werde heute meinen Rücktritt vom Turniertennis bekannt geben“, erklärte die 30-Jährige, passenderweise im Saal „New York“ eines Heidelberger Hotels. Und das tat sie dann. Die in rund zwei Wochen beginnenden US Open in New York wären ihre nächste Station gewesen, doch anders als Boris Becker verzichtet sie darauf, sich mit einer glamourösen Gala zu verabschieden. Während Beckers letztes Hurra ein Achtelfinale auf dem Centre Court von Wimbledon war, vollzog sich Grafs Abgang unspektakulär mit der verletzungsbedingten Aufgabe in einer Zweitrundenpartie gegen Amy Frazier vor zwei Wochen in San Diego.

Schon auf dem Weg nach Kalifornien habe sie den Entschluss gefasst, ihre Karriere zu beenden, sagte sie gestern. Zuvor hatte sie bereits mit ihren Erklärungen, nicht mehr bei den French Open und in Wimbledon antreten zu wollen, für Rücktrittsspekulationen gesorgt. Entsprechende Gerüchte pflegte sie aber genauso schnell zu dementieren, wie sie sie in die Welt setzte. „Ich war tagelang hin- und hergerissen“, sagte sie gestern und ließ erkennen, wie schwer es ihr fällt, jene Bühne zu verlassen, auf der sie siebzehn Jahre eine Hauptrolle gespielt hatte.

Was bleibt, sind vor allem Zahlen: 22 Grand-Slam-Titel, 107 Turniersiege, 1.017 Matches, 70 Krankheiten oder Verletzungen, 377 Wochen als Nummer eins, 140 Millionen Mark Einnahmen, ein Vater im Knast, ein durchgeknallter Fan, eine kochende Leidenschaft. Nicht übel für eine Tennisspielerin, deren Rückhand ein ziemlich merkwürdiger Slice und deren Vorhand „technisch keine gute, aber ein großartiger Schlag“ (Chris Evert) war. Schon im Dezember wird besagte Vorhand im Übrigen wieder zu bewundern sein. Dann nämlich startet Steffi Graf zu einer Schaukampftournee rund um die Welt. Hat jemand was von Abschied gesagt? Matti Lieske