Nette rote Glatzen

■ Die englischen Punkrocker Red London verbreiteten im Lagerhaus familiären Geist

Machen wir uns nichts vor. Es gibt Leute, für die sind Punk-Konzerte wie das mit der nordenglischen Band Red London nichts weiter als Folklore-Veranstaltungen, die subkulturelle Gruppierung eine Art Trachtenverein und die schlichten Weisen schon gar nicht viel besser als Schlager, die bei fortgeschrittenem Intoxikationsgrad gemeinschaftlich abgesungen werden.

Und was den Spirit angeht, der konstituierend für Punk sein soll (denn sich damit begnügen, dass es eben einfach nur eine Musik ist, die mensch gern hört, möchten sich viele nicht), so beschränkt sich der auch gern auf ein diffus linkes Selbstverständnis, das seine Diffusität womöglich noch für undogmatisch genommen haben will.

Am Samstag fand im Lagerhaus also ein Konzert mit Red London statt. Fünf gestandene Herren, bei denen das Tragen von Glatzen teils schon biologische Gründe haben mag. Gute alte englische Skinhead-Schule, nur der Sänger sieht wegen gefärbter Haare und kaputter Jeans eher nach Punk aus und spricht einen derben nordenglischen Akzent, der selbst einem einigermaßen guten Schulenglisch schwer zugänglich ist. Zusammen spielt das Quintett Punkrock, und zwar so konsequent von alter Schule, dass jede Note an diesem Abend auch hätte zwanzig Jahre zuvor hergestellt worden sein können.

Gute Songs haben sie auch einen Haufen geschrieben, und die erste ZuschauerInnen-Reihe vor der Bühne, eigens aus Hannover angereist, kannte diese mindestens so gut wie der Frontmann, der sich sicherheitshalber einen Ordner mit auf die Bühne gebracht hatte, in den er bei Textschwächen schauen konnte. Zusammen ergab das einen ausgesprochen netten Abend mit unübersehbarer folkloristischer Tendenz.

Das ist ja nun auch alles andere als schlimm. Aber ein klein wenig lustig ist es doch immer wieder, wie eine vermeintlich rebellische Attitüde, eine Jugendbewegung (nenn' es, wie du willst) sich binnen kurzem auch nur als eine weitere von diversen Vergnügungsmöglichkeiten mit mehr oder weniger festgefügter Etikette konserviert. Spaß haben lässt sich so natürlich schon. Es läuft nur Gefahr, doof zu werden, wenn es wieder mal mehr sein soll als das.

Andreas Schnell