Langsamer Aufruhr für ein neues Kanada

■ Die von der gesamten Pop-Intelligenz mindestens als Götter angekündigten Godspeed You Black Emperor! aus Kanada spielten im Wehrschloss wunderschöne, subversiv-romantische und auf Dauer ein wenig öde Musik

Es kann wohl kaum den MusikerInnen von Godspeed You Black Emperor! (GYBE!) angelastet werden, dass die sogenannte Pop-Intelligenz in den letzten Monaten vorwiegend mit dem Absingen von Hymnen auf nämliche Band aus Kanada beschäftigt gewesen ist. Hymnen, die ohne Begriffe wie „grandios“, „garantiert bewusstseinsverändernd“, „einmalig“ schier nicht auskamen. Unter Platte des Monats lief schon mal gar nichts, Konzert des Jahres war eher die Regel, und die gute alte 'Spex' hatte gar die Platte des Jahrtausends ausgemacht.

Da fehlt eigentlich nur noch einer, und das ist „Gott“, der natürlich von einem Rezensenten dann auch flugs bemüht wurde. Und wer, frage ich Sie, würde da schon lieber zu Hause rumhängen, als einem solchermaßen als erlaucht annoncierten Ereignis beizuwohnen?

Die MusikerInnen von GYBE! würden es womöglich gar nicht so gern sehen und hören, wie da mit allem, was Sprache so an Klimax herbeireden kann, ihr Wirken und Schaffen in Höhen katapultiert wird, die höchstens ab und an von einem delirierenden Pop-Theoretiker durchkreuzt werden. Verführerisch ist es allerdings, dieser Band Oden zu dichten, sind GYBE!, was Abmessungen und Selbstdarstellung betrifft, doch zumindest ungewöhnlich und musikalisch durchaus imstande, zu fesseln.

Mit Violine und Cello, mehreren elektrisch verstärkten Gitarren und Bässen, einem Schlagzeug und Gerätschaften zum Abspielen vorbereiteter Tapes sowie einem eigens für die visuelle Seite abgestellten Menschen machen GYBE! auf einer Bühne schon Eindruck. Ihre langen, gesangsfreien Stücke wirken auch ohne optische Komponente schon wie Filmmusik, verstören nicht durch Brüche oder allzu harsche Krachizismen und bleiben in jeder Sekunde nachvollziehbar. Nicht zuletzt wird ganz dick in Erhabenheit, in Wohlklang gemacht, einschliesslich Glockenspiel, was auch hier nicht unterschlagen werden soll.

Und das ist ganz schlicht und einfach schön. Ungefähr so schön wie Pink Floyd vor einer Ewigkeit, oder wie ein Neurosis-Konzert. Und in dem überaus homogenen an- und abschwellenden Fluss liegt wohl hier wie dort die Effektivität dieser Musik begründet. Die weitgehende Verweigerung gegenüber gängigen Geschäftspraktiken und Promotion-Maßnahmen sowie ihr Verweis auf eine Tradition amerikanischer Musik, an deren Anfang Hardcore-Pioniere wie Black Flag und die Minutemen stehen, sorgen bei der eingangs erwähnten Klientel für feuchte Hände. Schließlich wäre es ja schon ein bisschen verwerflich, einfach nur monumentale, schöne, aber auch höchst romantische Musik zu hören, ohne dass sie zumindest ein feiner Hauch Subversivität durchwehte.

Dabei hätten GYBE! ganz hervorragend auch das jüngst stattgefundene, von Wolken verborgene Jahrhundertereignis vertonen können. Niemand hätte den Unterschied gemerkt. So allerdings, von jubilierenden Hipster-Chören angekündigt, konnte es einfach, wie soll ich sagen, eine kleine Enttäuschung sein. Nicht weniger als schön und auch nicht weniger als gut. Aber wenn du einmal von völliger Stille binnen zwanzig Minuten behutsam aber bestimmt mitgenommen wurdest zu dem Maximum an Intensität und Lautstärke, das GYBE! kennen, dann wünscht du dir vielleicht, dass nach der dritten Wiederholung dieses Vorgangs vielleicht etwas anderes geschehen möge. Aber diesen Wunsch werden sie dir nicht erfüllen. Das kann ermüden.

C. E. Kuper, ganz klassisch im Singer/Songwriter-Format, nur ein Mensch und eine Gitarre, gab zuvor einen ganz unspektakulären Auftritt. Stilsicher und unprätentiös. „Oh me I just want a sixpack/and a place to play“, wie es jüngst Danielle Howle sang. Das nur, um die Attitüde anzudeuten. Schön.

Andreas Schnell