Ein umweltfreundlicher Elektrosmogplastikstahlbaum  ■   Von Ralf Sotscheck

In den USA filzen sie die Schüler nach Waffen, in Irland durchsucht man sie dagegen nach Handys. Eine Bekannte, Lehrerin in Dublin, erzählte, wie in einer einzigen Unterrichtsstunde sieben Handys klingelten. In den meisten Fällen waren es die Eltern, die mit der Lehrerin sprechen wollten, um festzustellen, ob die Sprösslinge nicht die Schule schwänzten. Als die Schüler sich bei einem Biologietest auch noch untereinander anriefen, um die Antworten auszutauschen, platzte ihr der Kragen. Handys sind seitdem verbannt.

In Irland gibt es inzwischen eine Million Mobiltelefonierer – bei einer Einwohnerzahl von dreieinhalb Millionen. Das hat Nachteile. Wenn in einer vollbesetzten Kneipe ein Handy klingelt, wühlen zwei Dutzend Trinker hektisch in ihren Taschen. Ich war neulich mit drei Kollegen in einem Restaurant, die Mäntel hatten wir über einen Stuhl am Nachbartisch geworfen. Während der Vorspeise klingelte es plötzlich. Alle vier sprangen wir auf, und jeder von uns hielt sich zur Erheiterung der anderen Gäste seinen Mantel ans Ohr.

Ein anderer Nachteil sind die hässlichen Sendemasten. Doch die irische Telefongesellschaft Eircell hat jetzt eine umweltfreundliche Lösung gefunden: das Buschtelefon. In Mullingar wurde ein 20 Meter hoher Stahlmast mit braunem Plastik kaschiert, am oberen Ende brachte man Kunststoffzweige mit grünen Nadelbüscheln – ebenfalls aus Plastik – an, die klobigen Antennen wurden grün angestrichen. Jetzt soll das Gebilde wie eine schottische Kiefer aussehen, behauptet Eircell. Das schottische Fremdenverkehrsamt sollte schleunigst Klage wegen Rufschädigung einreichen. Stephen Brewer, Geschäftsführer von Eircell, pries bei der Pflanzung des Sendebaumes seine eigene Weitsicht, den „notwendigen Fortschritt in der Kommunikationstechnologie mit der delikaten Erhaltung der Umwelt in Einklang“ zu bringen. Ein Elektrosmogplastikstahlsender als Beitrag zum Umweltschutz – genial. Das Beispiel wird Schule machen: Einem Tornado-Kampfflugzeug könnte man weiße Federn ankleben und es zur Friedenstaube erklären. Bereits geschehen? Aber ohne die Federn? In Serbien?

Da war Herr J. Fischer schneller als sein irischer Politikerkollege Ned O'Keefe, Staatssekretär im Dubliner Landwirtschaftsministerium, der die schottische Sendekiefer eigenhändig einschaltete. O'Keefe war hellauf begeistert. Das Ding sei so täuschend echt, erklärte er, dass er zur Einweihungsfeier fast zu spät gekommen wäre, weil er mehrmals daran vorbeigefahren sei und eine Weile unter dem falschen Baum, nämlich einer echten schottischen Kiefer, gewartet hatte. Erst als er ein Eichhörnchen auf einem Zweig entdeckte, kamen ihm Zweifel – zu Recht: So schlicht wie ein Staatsminister kann kein Eichhörnchen sein.

Weil das mit dem Sendemast so gut funktioniert, könnte man künftig alle Bäume durch Plastiknachbildungen ersetzen, inklusive Kunststoff-Eichhörnchen. Und nicht nur das: Die Masten mit den Überwachungskameras in der Dubliner Innenstadt sollten mit Giraffenkostümen verkleidet werden, die unansehnlichen Stromverteilerkästen könnten auf dieselbe Weise zu französischen Trüffelschweinen werden. Irland wird zur Kunstwelt. Und Ned O'Keefe wird glauben, er sei im Zoo.