Letzte Ruhe in Israel

■  Der verstorbene Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, ist gestern in Tel Aviv beerdigt worden. Bundespräsident Johannes Rau zeigt sich enttäuscht über den letzten Willen des Toten

Berlin/Tel Aviv (taz) – Ignatz Bubis glaubte nicht mehr daran, in Deutschland seine letzte Ruhe zu finden. Nach dem Sprengstoffanschlag auf das Grab seines Vorgängers Heinz Galinski in Berlin wünschte sich der Präsident des Zentralrats der Juden eine Grabstätte in Israel. Gestern ist Ignatz Bubis auf dem Friedhof Kiriat Schaul in Tel Aviv beigesetzt worden. Wenige Stunden vorher war sein Leichnam mit einer Sondermaschine der Lufthansa nach Israel überführt worden. Bubis war am Freitag im Alter von 72 Jahren in einem Frankfurter Krankenhaus an Knochenkrebs gestorben.

Für einen Mann von Bubis' Bedeutung fand die Feier in kleinem Kreis statt. Unter den knapp 500 Trauergästen waren die Staatspräsidenten Israels und der Bundesrepublik. Israels Präsident Eser Weizman wiederholte unmittelbar vor der Trauerfeier sein Unverständnis darüber, wie man als Jude in Deutschland leben könne. Weizman machte keinen Hehl daraus, Bubis lieber schon zu Lebzeiten in Israel gehabt zu haben. Bundespräsident Johannes Rau ließ demgegenüber seine Enttäuschung durchblicken über die Entscheidung von Bubis, in Israel beigesetzt zu werden. „Wer ein Haus baut, will bleiben“, sagte Johannes Rau. In Deutschland seien viele neue Synagogen gebaut worden. Das sei vor allem auch das Verdienst von Ignatz Bubis.

Traditionsgemäß nur in ein Tuch gehüllt, wurde Bubis' Leichnam zunächst in eine Trauerhalle gebracht, wo ein Angehöriger den Kaddisch, das jüdische Totengebet sprach. Israels Oberrabbiner Israel Lau erinnerte anschließend an den Menschen Ignatz Bubis und an den niemals geklärten Konflikt mit ihm über den von ihm gewählten Wohnort Deutschland. Die sterblichen Überreste von Bubis wurden unmittelbar neben dem Grab der israelischen Sportler beigesetzt, die 1972 in München einem palästinensischen Terroranschlag zum Opfer gefallen waren.

Das offizielle Deutschland wurde bei der Beerdigung neben Rau durch Innenminister Otto Schily repräsentiert, der von seinem Ferienort in Italien nach Israel geflogen war. Auch der derzeitige Präsident des Bundesrates, Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), kam nach Tel Aviv. Die Heimatstadt von Bubis, Frankfurt am Main, war durch Oberbürgermeisterin Petra Roth vertreten. Bundeskanzler Gerhard Schröder blieb im Urlaub.

Ungeklärt ist vorerst, ob auch in der Bundesrepublik ein Staatsakt zu Ehren von Ignatz Bubis stattfinden wird. Bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, „die sich um Deutschland in besonderer Weise verdient gemacht haben“, kann der Bundespräsident einen Staatsakt anordnen. „Es gibt keine Anordnung“, sagte eine Sprecherin des für Protokollfragen zuständigen Innenministeriums der taz, „das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.“

Ein Staatsakt für den Zentralratspräsidenten wäre ein Novum. Als 1992 Bubis' Vorgänger Heinz Galinski starb, richtete lediglich der Zentralrat der Juden eine Trauerfeier aus, an der damals Bundeskanzler Kohl und Bundespräsident von Weizsäcker teilnahmen. Auch diesmal plant der Zentralrat eine Trauerfeier, deren Termin allerdings noch nicht feststeht. Julius H. Schoeps, der Leiter des „Moses Mendelssohn Zentrums“ in Potsdam, hat der Idee eines Staatsaktes unterdessen eine Absage erteilt. „Das halte ich nicht für notwendig“, sagte er der taz, „Herr Bubis hat kein Regierungsamt bekleidet.“ Bubis' Rolle als moralische Instanz sei eine aufgedrängte Rolle gewesen. Sie entspreche vor allem dem Wunsch der nichtjüdischen Gesellschaft nach einer Entlastung von ihrem schlechten Gewissen, sagte der Historiker.

Die Frage eines Nachfolgers im Amt des Zentralratspräsidenten wurde am Wochenende weitgehend ausgeklammert. Lediglich der umstrittene jüdische Historiker Michael Wolffsohn nannte in einem Radio-Interview den Vorsitzenden der Berliner Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, als Kandidaten. „Er wäre ein ganz hervorragender Nachfolger“, sagte Wolffsohn am Samstag. Nachama selbst dazu im NDR: „Ich finde, solange Ignatz Bubis noch nicht einmal beerdigt ist, soll man keine Spekulation über die Nachfolge von ihm anstellen.“ pat/sk

Tagesthema Seite 3