Press-Schlag
: Ein Netzer ist er nicht

■ Mit 19 Jahren spielt Herthas Sebastian Deisler schon wie ein echter Deisler

Er hat so was. Man sieht es, man fühlt es. Wenn Sebastian Deisler dribbelt, das Hemd über der Hose, die Ellenbogen hoch gezogen, der Ball eng am Fuß, dann sieht das aus wie bei ... Ja, an wen erinnert Deisler eigentlich? An Netzer, sagen die Gladbacher, weil sie seit zwanzig Jahren auf einen neuen Netzer warten. Die taz sagt: Deisler erinnert jetzt schon an Deisler.

Als Hertha im Sommer vier Millionen Mark an Absteiger Mönchengladbach überwies, da hatte es der 19jährige aus Südbaden zu 17 Spielen, 1 Tor und 26 Angeboten gebracht. Jetzt spielt Deisler also in Berlin, und Berlin ist nach dem 5:2 über Hansa Rostock zum ersten Mal seit 23 Jahren Tabellenführer der Bundesliga. Die Stadt ist im Rausch. Auch dank Mittelfeld-Mann „Basti Fantasti“, wie ihn die Boulevardblätter teeniefreundlich tauften.

Herthas Hoffnung hat am Sonntag einmal butterweich auf Daei geflankt, vier blitzgescheite Pässe gespielt und einen Freistoß in den Winkel gezwirbelt; 65.000 Menschen waren da kurz, ganz kurz, fassungslos. Das macht noch keine große Karriere. Aber es ist ein hübscher Anfang.

Was er so hat, haben ganz wenige Fußballer: einen eigenen Stil. Was braucht es dazu? Ausstrahlung. Typische Bewegungen, eine offensive Körpersprache. Pässe, die so schnell in den freien Raum rollen, wie er sich öffnet. Technik, Athletik, Spielwitz, alles gleichzeitig. Rummenigge war so, Matthäus war so, früher, Beckenbauer auch, klar.

Ein Großer ist Deisler natürlich noch nicht. Als Matthäus 1979 ein junger Spund war, das ist lange her, war er nicht mal geboren. Vielleicht wird er sein Talent verschleudern und wie andere vor ihm den Ricken machen. Zum Glück aber drängeln sich in Herthas Kader nicht so lächerlich viele Stars wie in Dortmund.

„Er hat mir gesagt, er hätte ein schlechtes Spiel gemacht“, erzählte Manager Dieter Hoeneß nach dem 5:2. Man darf sich darauf freuen, wie das aussieht, wenn der junge Herr Deisler demnächst mal ein gutes Spiel bietet. Rüdiger Barth