Ein Vorzeigekonzern ist gescheitert

■ Daewoo war ein Symbol des südkoreanischen Aufstiegs. Nun ein Signal für Reformen

Tokio (taz) – Für Daewoo-Gründer Kim Woo-Choong hat die schwerste Stunde seines Lebens geschlagen. Der 62-jährige Vorstand des zweitgrößten südkoreanischen Firmenkonglomerates musste am Montag unter dem Druck der Gläubiger einem Regierungsplan zustimmen, der sein Firmenimperium Daewoo, zu deutsch „Großes Universum“, zerlegt. Von dem mit 57 Billionen Won (über 90 Milliarden Mark) verschuldeten Chaebol werden 19 Tochtergesellschaften verkauft. Übrig bleibt ein Rumpf mit der Autoproduktion und dem Handel als Kerngeschäft.

Die Verschuldungsfalle, in die Daewoo mit seiner expansiven Geschäftspolitik gefallen ist, kann auch als Symbol der Schwächen Süd-Koreas betrachtet werden. Kapazitäten aufbauen an allen Enden der Welt, koste es, was es wolle, war das Leitmotiv Kim Woo-Choongs. Er glaubte an hohe Wachstumszahlen und verschuldete sich mit kurzfristigen Anleihen. Nun hat die Regierung dem Treiben ein Ende gesetzt und signalisiert ihren festen Willen, die bestimmenden Chaebols in Süd-Koreas Wirtschaft zu zähmen.

Als Kim 1967 mit einem Darlehen von 5.000 US-Dollar sein Handelshaus in einem schäbigen Keller von Seoul startete, dachte er wohl nicht, dass Daewoo 32 Jahre später in weltweit 500 Werken jährlich für 50 Milliarden US-Dollar Güter verkaufen und damit 13 Prozent der südkoreanischen Exporte und 6 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) ausmachen würde. Mit diesen beeindruckenden Zahlen als Leistungsausweis galt Kim Woo-Choong als Vorzeigeperson für den Aufstieg Süd-Koreas vom mausarmen Agrarstaat zur zweitwichtigsten Wirtschaftsmacht Asiens.

Für Kim, der beim Anblick einer Straße zu sagen pflegte, sie sei mit Gold übersät, lief in den letzten beiden Jahren aber einiges schief. Er baute auf kurzfristige Schulden zu einem Zeitpunkt, als Süd-Korea nach einer 58 Milliarden Dollar schweren Rettungsaktion durch den Internationalen Währungsfond bereits eine Radikalkur einleitete mit dem Leitmotiv: Fokussierung auf Kerngeschäfte und Abbau der Überkapazitäten und Schulden.

Diese Botschaft verstanden die kleineren 25 Chaebols, die etwa 44 Prozent des südkoreanischen BIP erwirtschaften. Sie entließen Personal, wurden fusioniert oder gingen unter. Von den großen fünf, Hyundai, Daewoo, Samsung, LG und SK, die 40 Prozent des BIP erwirtschaften, begriffen die Manager von Samsung, LG und SK die IWF-Forderung und bauten innerhalb von 18 Monaten ihre Schuldenlast deutlich ab. Hyundai und Daewoo, die zwei ganz Großen, expandierten weiter.

Daewoos Kim Woo-Choong nahm 1998 gar 14 Milliarden Dollar neue Kredite auf, kaufte den bankrotten Autobauer Ssangyong dazu und ließ sich auf Engagements in so abgelegenen Märkten wie der Ukraine ein. Das Resultat ist ernüchternd: 51 Milliarden Dollar Schulden, davon 9,9 Milliarden bei ausländischen Banken.

Die Geduld der Gläubigerbanken und der Regierung riss am 19. Juli, als sie dem Konzern 6 Milliarden Dollar umschulden und zusätzlich 3,6 Milliarden Dollar neue Kredite zusprechen mussten. Ohne definitiven Plan, der auch die Veräußerung von profitablen Tochtergesellschaften vorsähe, erhalte der Chaebol keine Kredite mehr, urteilten diese Woche die Gläubigerbanken und erhielten für diese harte Linie nicht nur den Segen der Regierung, sondern auch der militanten Gewerkschaft, in der die Daewoo-Angestellten organisiert sind.

Die profitablen Sparten, wie das Wertpapiergeschäft der beiden Töchter Daewoo Securities und Seoul Investment Trust, kommen nun ebenso unter den Hammer wie die Daewoo Heavy Industries, das Baugeschäft, der Elektronikbereich und die Autozulieferwerke.

Unsicher ist selbst das Kerngeschäft Autoproduktion von Daewoo Motors. Allein diese Tochtergesellschaft ist mit 10 Milliarden Dollar Schulden belastet, und der Gewinn von 14,5 Millionen Dollar im vergangenen Jahr ist derart mager, dass Daewoo in der globalen Autoindustrie den Alleingang nie schaffen kann. Gespräche mit dem US-Autogiganten GM über eine Allianz haben schon begonnen.

Billig ist die Abwicklung des Riesen Daewoo auch für Süd-Koreas Steuerzahler nicht. Die Regierung wird mindestens 10 Milliarden Dollar in die Stützung von Finanzinstituten stecken müssen, damit diese Daewoo Schulden erlassen können. Ohne diese Steuergelder würde das Daewoo-Debakel Süd-Korea direkt in die zweite und schwerwiegendere Krise führen. André Kunz