„Langfristig ist diese Preisschlacht nicht im Sinne des Verbrauchers“

■ Hermann Diller, Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Erlangen/Nürnberg, über Preiskampf, Marktanteile und Qualitätsverlust

taz: Herr Diller, Supermärkte und Discounter werben statt mit Qualität oder dem „Erlebnis Einkauf“ zunehmend mit Niedrigpreisen. Was steckt hinter den Kampagnen?

Hermann Diller: Generell dienen Lockartikel mit ganz niedrigen Preisen der Gewinnung von Kunden. Man will Aufmerksamkeit erringen. Gleichzeitig versucht man damit aber auch, das eigene Preisimage positiv zu gestalten, indem solche Preise bei der Werbung in den Vordergrund gestellt werden. Bei der jetzigen Schlacht auf dem Preismarkt geht es freilich in erster Linie darum, dass Handelsketten ihre Marktanteile halten bzw. ausbauen wollen. Der größte deutsche Einzelhändler, die Rewe, hat diese Preisschlacht ausgelöst, weil das Unternehmen sonst mit 1 Milliarde Mark Jahreseinbußen rechnen müsste. Und das einfachste Instrument, einen solchen Verlust zu verhindern, ist eben der Preis. Das Problem dabei ist, dass natürlich die anderen Handelsketten mit Preissenkungen nachziehen. Alle Wettbewerber finden sich also letztlich auf demselben niedrigen Niveau wieder.

Für die Werbestrategen wird es schwerer, wenn alle Unternehmen nur auf Preissenkung setzen. Sie müssen sich etwas einfallen lassen, wie sie die niedrigen Preise als besondere Kampagne verkaufen können. Der Drogeriemarkt dm wirbt beispielsweise damit, dass er bei jedem Produkt darauf hinweist, seit wann sich der Preis nicht erhöht hat. Gibt es noch andere Trends?

Rewe schaltet nicht mehr nur Sonderangebote, also kurzfristig gültige Preisangebote, wie das früher der Fall war. Diesmal geht es um Dauertiefpreise, die suggerieren sollen: Wir können mithalten im Wettbewerb. Das ist eine generelle Tendenz, die im Interesse des Kunden liegt, weil der nicht mehr darauf achten muss, ob er gerade in dieser Woche einen bestimmten Artikel kaufen soll oder nicht.

Unterscheiden sich die Handelsketten also gar nicht mehr voneinander?

Doch. Denn Verbrauchermärkte wie Globus oder real favorisieren immer noch die herkömmliche Strategie der „Hoch-/Tiefpreispolitik“, das heißt der Absenkung in bestimmten Wochen und dann wieder Heraufsetzung. Die Verbraucher lieben ja auch die Sonderangebote, weil sie das Gefühl haben, so genannte Schnäppchen zu machen. Diese Sonderpreise sind allerdings zum Teil schon die Dauertiefpreise anderer Anbieter – etwa von Wal-Mart – geworden.

Was glauben Sie, geht der Preiskampf zu Lasten der Qualität?

Selbstverständlich. Das ist ein bedauerlicher Nebeneffekt, aber der deutsche Verbraucher – der übrigens der preisorientierteste in Europa ist – sieht eben den Preis in erster Linie. Der Druck auf die Hersteller ist so groß, dass mancher gar nicht anders kann, als, wo immer es nur geht, an der Qualität zu sparen. Wir haben ja an den vielen Skandalen gerade im Lebensmittelbereich gesehen, dass die industriellen Bedingungen auf der Erzeugerstufe dazu führen, dass nicht nur die Produkivität durch Einsatz von Chemie gesteigert wird, sondern dass teilweise auch kriminelle Machenschaften vorherrschen. Das ist nicht zuletzt die Folge dieses Preiswettbewerbs. Insofern ist diese Preisschlacht langfristig nicht im Sinne des Verbrauchers.

Interview: Katharina Koufen