Die Sau rauslassen

■ „The Boondock Saints“ beschließt das Fantasy-Filmfest

Einmal so richtig die Sau rauslassen und dafür auch noch geliebt werden. Troy Duffys Film entwirft nicht nur eine hemmungslose (und sehr maskuline) Allmachtfantasie, sondern garantiert seinen Figuren und seinem Publikum noch dazu ein gutes Gewissen. Sich als Racheengel aufzuspielen, ist eigentlich eine ziemlich einsame Angelegenheit – weshalb beispielsweise die wortkargen Helden der Selbstjustiz-Filme der 70er Jahre auch konsequenterweise isolierte Einzelgänger blieben. The Boondock Saints schafft dagegen die Quadratur des Kreises: Seine beiden Protagonisten nehmen das Gesetz in die Hand und sonnen sich gleichzeitig im Wohlwollen aller erdenklichen Autoritäten.

Connor und Murphy McManus sind zwei Brüder irisch-katholischer Abstammung, die in Boston als Fleischpacker arbeiten, bis sie plötzlich beginnen, recht wahllos ortsansässige und zugereiste Mafiosi abzuschlachten. Weshalb sie einer tödlich endenden Wirtshausschlägerei diesen blutigen Feldzug folgen lasssen, bleibt in der vorläufigen Schnittfassung des Films etwas rätselhaft. Ebensowenig schlüssig ist, warum die beiden bei ihrem Treiben die Sympathien von Gott und der Welt genießen. Debutfilmer Duffy deutet jedenfalls an, dass die McManus-Brüder nicht nur mit stillschweigender Billigung ihrer irisch-amerikanischen Nachbarschaft und der örtlichen Polizei rechnen, sondern auch auf den Segen der katholischen Kirche bauen können.

Als Beweggründe für ihr Handeln führen die beiden die angeblich zu großen Maschen der Justiz an, deretwegen Mörder, Vergewaltiger und anderes Gesindel frei herumliefen. Wenn sie daraufhin einen Freund fragen, ob er gegen diesen Missstand nicht ebenfalls immer etwas habe unternehmen wollen, wird die Frage direkt in die Kamera und somit ans Publikum gerichtet. Das Identifikationsangebot kann man – wenn man will – beim Wort nehmen.

Zugleich ist diese Litanei aber so beliebig, dass sich eine ironische Lesart aufdrängt. Unter dem Bedeutungs- und Folgenlosigkeit versprechenden Vorzeichen der Ironie kann man(n) – und nur die Männer kommen als Adressaten in Frage – sich dann umso ungenierter auf ein bald alle Skrupel ablegendes Szenario einlassen, in dem rassistische Witze erzählt und Frauen, sofern sie kurz auftauchen, erniedrigt werden. In einem Film, dessen Inszenierungsstil in Pressetexten unweigerlich Begriffe wie „fulmi-nant“ und „rasant“ auftauchen lässt, gelingt Duffy bezeichnenderweise das seltene Kunststück, mit Willem Dafoe als exaltiertem FBI-Mann einen schwulen Sympathieträger unterzubringen. Der Zweck ist denkbar einfach: über homophobe „one-liner“ lässt sich mit allerbestem Gewissen lachen, wenn sie von einem super-virilen Schwulen stammen. Holger Römers heute, 20.30 Uhr, Cinemaxx 1